Infinitum – Die Ewigkeit der Sterne (Christopher Paolini) | Buchrezension
- Tim J. R. Ufer

- 30. Juni 2021
- 5 Min. Lesezeit
Es gibt wenige Autoren, bei denen ich ein Buch ohne zu zögern kaufen würde, nur weil ihr Name drauf steht. Christopher Paolini ist einer von ihnen. Tatsächlich war Eragon von selbigem Autor eines der ersten Fantasy Bücher, die ich jemals gelesen habe. Es hat mich damals unglaublich fasziniert, dass Paolini beim Schreiben des ersten Bandes von Eragon gerade einmal 15 Jahre alt war. So sehr, dass ich mir damals als Ziel gesetzt habe, noch vor meinem 15. Geburtstag mein erstes Buch fertig zu schreiben.
Nun… bis zu meinem 15. Geburtstag hatte ich 4 eigene Romane verfasst. Leider wurde keiner davon je so berühmt wie Eragon *seufz*. Nichtsdestotrotz ist Christopher Paolini nach wie vor ein großes Vorbild von mir und als ich Anfang des Jahres seinen neuen Science-Fiction Epos Infinitum in der Bücherhandlung meines Vertrauens entdeckt habe, musste ich einfach zugreifen. Zugegeben – ich hatte beim Kauf gemischte Gefühle, denn eigentlich bin ich gar kein großer Sci-Fi Fan mehr. Doch ich wurde überrascht…
Zu den allgemeinen Facts
Infinitum ist mit 960 Seiten ein echter Wälzer und spielt damit schon in einer Gewichtsklasse, die man nicht einfach mal so an einem Tag heruntergelesen bekommt. Ich persönlich lese selten wirklich viel am Stück und habe daher für den Roman etwa zwei Wochen gebraucht. Dennoch würde ich Infinitum in Sachen Sahnigkeit den soliden Wert „Fettstufe“ zuordnen. Es liest sich erstaunlich flüssig runter und auch wenn es zwischendrin sicherlich Passagen gibt, die sich etwas ziehen, geht die Handlung doch stetig voran. Außerdem tut Paolini seinen Lesern einen großen Gefallen, indem er seinen Schinken durch 6 Teilabschnitte und zahlreiche Unterkapitel in kleine, mundgerechte Häppchen aufteilt.
In seinem Nachwort zu dem Roman berichtet Paolini übrigens, dass er den ersten Entwurf von Infinitum bereits 2008, gleich nach Fertigstellung des 2. Bandes von Eragon, geschrieben hat. Insgesamt hat es also etwa 12 Jahre gedauert, bis aus der ersten Idee zu Infinitum das fertige Buch entstanden ist, das wir heute in Händen halten können.
Und ich bin ganz ehrlich: Das merkt man!
In dem Roman steckt einfach so viel Liebe zum Detail und die Lore ist so unfassbar gut ausgearbeitet, dass ich beim Lesen manchmal gerne das Buch zur Seite gelegt und geweint hätte (Vor Freude und Verzweiflung zugleich, ich hatte zu der Zeit nämlich ziemliche Probleme mit der Lore meines eigenen Romans).
Paolini hat sich sogar die Mühe gemacht, am Ende des Buches noch einen 12-seitigen Appendix mit (pseudo-)wissenschaftlichen Erklärungen hinzuzufügen, in dem man beispielsweise nachlesen kann, wie der Flug mit Überlichtgeschwindigkeit innerhalb des Romans funktioniert ohne die (tatsächlich) geltenden Gesetze der Physik zu verletzen.
Eine klare Empfehlung für alle, die auf herausragendes Worldbuilding stehen!
Ein grober Überblick über die Handlung
Infinitum spielt etwa 300 Jahre in der Zukunft, mitten im 24. Jahrhundert der modernen Menschheitsgeschichte. Zu diesem Zeitpunkt haben die Menschen es geschafft, die Grenzen ihres Heimatplaneten zu überwinden und in andere Bereiche des Weltraums vorzudringen. Entscheidend für diese Entwicklung war ein großer wissenschaftlicher Durchbruch im frühen 22. Jahrhundert, der es den Menschen ermöglichte, Raumschiffe zu konstruieren, die sich oberhalb der Lichtgeschwindigkeit fortbewegen können. Die genauen physikalischen Details würden an dieser Stelle den Rahmen sprengen, aber ihr könnt wie gesagt alles in Appendix I. des Romans nachlesen, wenn ihr euch genauer für die Technologie interessiert.
Wie es für Science-Fiction üblich ist, besteht ein großer Teil des Romans somit aus actionreichen Weltraumschlachten, Begegnungen des Menschen mit anderen intelligenten Spezies und dem Einsatz von hochentwickelter Technologie.
Konkret geht es aber um die junge Xenowissenschaftlerin Kira, die zu Beginn der Geschichte gemeinsam mit ihrem Freund Alan Teil einer Forschungsgruppe ist. Im Auftrag einer großen Weltraumfirma sollen die Wissenschaftler herausfinden, ob der Planet für eine Kolonisierung durch den Menschen geeignet ist. Zunächst erscheint alles sicher und Kira und ihr Freund überlegen sogar, ob sie sich selbst als Kolonisten für den Planeten bewerben sollen, doch dann kommt alles ganz anders.
Am letzten Tag vor ihrer Abreise rutscht Kira in eine Felsspalte und entdeckt tief unter der Erde die Überbleibsel einer längst vergessenen Zivilisation. Was eigentlich der feuchte Traum eines jeden Xenowissenschaftlers ist, stellt sich für Kira schnell als absoluter Albtraum heraus. Ihre Entdeckung ist viel bedeutender, als sie anfangs ahnt und schon bald steht sie nicht nur ganz oben auf der Fahndungsliste der Weltraumregierung, sondern wird auch noch von einer bisher unbekannten Alien Spezies gejagt, die das alte Relikt, welches Kira bei sich trägt, um jeden Preis in die Finger bekommen will. Es folgt eine spannende Verfolgungsjagd bis an den äußersten Rand des bisher erforschten Universums, bei der nicht nur Kiras Leben, sondern das Schicksal der gesamten Menschheit auf dem Spiel steht…
Das gefällt mir gut!
Neben dem fantastischen Worldbuilding finde ich die Figuren und Dialoge in dem neuen Sci-Fi Epos von Paolini sehr stark umgesetzt. Die Unterhaltungen sind teilweise wirklich witzig und triefen nur so vor Ironie. Für mich ist das ein klarer Pluspunkt. Wenngleich die eigentliche Handlung in keiner Weise zum Lachen ist, sorgt der Autor mit seinen Dialogen so zumindest für solide 5 von 10 Punkten auf dem Scherzspektrum. Weiterhin beinhaltet der Roman auch einige Anspielungen auf Figuren aus der Welt von Eragon, was für eingefleischte Paolini-Fans ein hübscher Bonus ist.
Lohnt sich das Buch? – Mein Fazit
Meine Stimmung während der Lektüre dieses Buches lässt sich am ehesten durch eine gestreckte Parabel mit negativem Vorzeichen beschreiben. Zu Beginn des Romans hatte ich keinerlei Erwartungshaltung. Ganz im Gegenteil – Ich ging sogar davon aus, dass ich mich durch das Buch hindurch quälen müsste, denn eigentlich hatte ich zu der Zeit gar keine Lust auf Science-Fiction.
Als ich dann jedoch die ersten Seiten zu lesen begann und langsam in die Geschichte hineingezogen wurde, änderte sich meine Einstellung gegenüber des Buches schlagartig. Was ich hier vor mir hatte war kein billiger Ramsch, der durch ein hübsches Cover und einen großen Namen auf dem Umschlag unschuldige Leser heranlockt, nur um sie dann maßlos zu enttäuschen, nein! Auf meinem Schoß hielt ich ein Meisterwerk der Schreibkunst, ein goldenes Exempel für moderne Literatur, ein phantastischer Epos der Sonderklasse!
Meine euphorische Stimmung hielt etwa bis zum ersten Drittel des Romans an und mündete dort in einen jähen Abstieg. Die anfängliche Verliebtheit gegenüber des Werkes war verpufft und ich stellte fest, dass ich noch immer knapp 600 Seiten vor mir hatte. Auf einmal erschien mir das Buch endlos lang und ich fragte mich, wie Paolini diese ganzen Seiten überhaupt noch zu füllen gedachte. Noch immer hatte ich ein fantastisches Werk vor mir, doch durch den langen Mittelteil brachte mich vor allem meine Disziplin und weniger der Drang, unbedingt das Ende der Geschichte zu erfahren.
Gegen Schluss drehte der Wind dann nochmal. Was epische Endschlachten angeht, hält der Epos zweifellos, was er verspricht, und so war mein Interesse von neuem geweckt. Ich verschlang die erste Hälfte des letzten Drittels in wenigen Stunden. Aber ich wurde erneut enttäuscht. Das Ende des Buches ist alles andere als das, was ich mir unter einem Happy End vorstelle. Ja, streng genommen ist es ein Happy End. Und aus Sicht des Schriftstellers kann ich verstehen, warum Paolini dieses Ende gewählt hat. Dennoch befriedigt es mich nicht. Wie immer ist das aber natürlich Geschmackssache und es kann sein, dass andere Leser das Ende auch total super finden.
Zum Abschluss gibt es hier wie immer alle Werte des Buches auf einen Blick:
Sahnigkeit: Fettstufe
Thrillometer: 135/240 bpm
Genussform: enthält große Mengen Fleisch & Blut (nicht für Vegetarier geeignet)
Scherzspektrum: 5/10 Kichererbsen
Romantikmesser: Hier sollte zumindest ein 3-lagiges Papiertaschentuch bereitgehalten werden
Charakterbindung: Dicke Taue (starker Halt zwischen Leser und den Figuren des Romans)
Insgesamt schafft es der neuste Epos von Christopher Paolini damit auf eine solide Gesamtwertung von 6.5/10 Schreibfedern. Ich kann den Roman definitiv jedem empfehlen, der auf gut fundiertes Sci-Fi steht und nach einer gehaltvollen Lektüre Ausschau hält. An alle Gelegenheitsleser, die bereits beim Anblick von Büchern mit mehr als 500 Seiten in Schweiß ausbrechen: Für euch ist das Buch nix!
Was ist eure Meinung zu dem Roman? Schreibt es in die Kommentare! :)



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