Elfenkrone (Holly Black) | Buchrezension
- Tim J. R. Ufer

- 7. Juli 2021
- 6 Min. Lesezeit
Manchmal bekommt man von einem Buch genau das, was man sich davon erwartet – manchmal bekommt man aber auch genau das Gegenteil. Elfenkrone ist ein herausragendes Beispiel für letzteres Szenario. Ich habe mir das Buch gekauft, weil ich gehört habe, es soll aktuell recht populär und in der Fantasy Gemeinschaft durchaus beliebt sein. Da ich sowieso mein letztes Buch gerade ausgelesen hatte, zückte ich kurzerhand meinen E-Book-Reader und lud mir den Roman herunter. Ich weiß noch meinen ersten Gedanken zu dem Buch: „Wieso haben die eine Mikrowelle im Haus?!“ Mit einem tiefen Seufzer lehnte ich mich in meinem Sofa zurück, als mir klar wurde, was ich da vor mir hatte – Urban Fantasy. Ich verdrehte die Augen und sah auf die Uhr.
„Na schön“, dachte ich bei mir, „Wird schon nicht so schlimm sein.“ Ich fuhr fort mit meiner Lesung.
An dieser Stelle sollte ich vielleicht erwähnen, dass ich nicht unbedingt der größte Fan von Urban Fantasy bin. Erst letztens hatte ich einen interessanten Diskurs mit einem Freund (und großem Verfechter von urbaner Phantastik) über die Stärken und Schwächen dieses Genres. Während er die Meinung vertrat, dass Urban Fantasy durch die Verknüpfung von Magie mit der Realität eine Brücke zwischen den Welten schlägt, die es dem Leser ermöglicht, noch tiefer in die Geschichte einzudringen, war ich genau gegenteiliger Überzeugung.
Bei mir sorgt Urban Fantasy in den meisten Fällen (Harry Potter ist ein Thema für sich) dafür, dass ich eben nicht in die Geschichte eintauchen kann. Wenn mir direkt auf der ersten Seite erklärt wird, dass die Protagonistin eine Mikrowelle hat, dann nimmt das für mich einen großen Teil des Zaubers. Ich liebe es, in vollständig neuartige Welten einzutauchen, die zwar parallelen mit der echten Welt haben können, aber trotzdem anders genug sind, um mich zum Träumen anzuregen. Außerdem finde ich High Fantasy auch aus Schriftstellerischer Sicht weit anspruchsvoller als Urban Fantasy. Meiner Ansicht nach macht es sich der Autor oder die Autorin ein wenig zu leicht, wenn er oder sie einfach die reale Welt als Schauplatz wählt, um sich nicht eine gesamte neue Welt ausdenken zu müssen.
Nun, jetzt kennt ihr meine Meinung zu Urban Fantasy. Ich möchte an dieser Stelle übrigens vehement darauf hinweisen, dass es sich dabei eben auch nur darum handelt – eine Meinung. Wenn ihr ganz anderer Meinung seid, dann lasst es mich sehr gerne in den Kommentaren wissen! Ich bin jederzeit offen für einen kritischen Diskurs über die Lesenswertigkeit von Urban Fantasy im Vergleich zu High Fantasy oder anderen Genres. :D
Nun aber endlich zu dem Buch…
Zu den allgemeinen Facts
Elfenkrone ist der erste Band einer Urban Fantasy Trilogie, die offiziell erst ab 14 Jahren freigegeben ist. Erschienen ist das Buch im November 2018 im cbj Verlag (C. Bertelsmann Jugendbuchverlag: das ist ein selbstständiger Teil von Penguin Random House). Der Roman hat 448 Seiten und bewegt sich damit in einem gewöhnlichen Rahmen in Bezug auf das Genre.
Zum Thema Popularität und Beliebtheit, was ich bereits in der Einleitung angesprochen hatte, lässt sich sagen, dass der erste Band ganz offiziell „Gewinner des Deutschen Phantastik Preises 2019“ schimpfen darf. Das ist toll.
Holly Black, die Autorin der Reihe, hat übrigens noch ganz viele andere Auszeichnungen erhalten. Darunter den Andre-Norton-Preis (auch ein ganz toller Preis), den Mythopoeic-Preis (ich finde, es sollte einen Preis dafür zu geben, diesen Preis richtig auszusprechen) und den Newbery-Honor-Preis. Falls ihr euch übrigens je gefragt habt, was man mit einem Germanistik, Romanistik und Geschichte Studium im Leben anfangen kann… jetzt habt ihr die Antwort.
Ein grober Überblick über die Handlung
Das Buch beginnt mit besagtem Prolog, in dem eine Mikrowelle vorkommt. Neben der Mikrowelle werden in dem Kapitel auch noch drei der Hauptcharaktere eingeführt. Jude, die Protagonistin, zu der ich später noch ein paar Worte verlieren werde, ihre Zwillingsschwester Taryn und deren große Schwester Vivienne. Dazu sollte gesagt werden, dass Vivienne nur Judes und Taryns Halbschwester ist. Sie ist nämlich die Tochter eines Elfengenerals, was sich auch an ihrem Äußeren durch spitze Ohren und Zähne und seltsame Pupillen äußert.
Jetzt könnte man meinen, dass Vivienne die Protagonistin des Buches wird, aber nein – falsch gedacht!
Die drei jungen Mädchen verschlägt es durch einen unglücklichen Vorfall ins Elfenreich und dort kreist die gesamte Handlung um Jude, eine der beiden menschlichen Zwillingsschwestern. Wir erfahren von den Schwierigkeiten, die Jude und ihre Schwester Taryn haben, in einer fremden Welt aufzuwachsen, in der ihr sterbliches Leben von den meisten Elfen als wertlos angesehen wird. Dazu sollte man erwähnen, dass Elfen in „Elfenkrone“ über tausend Jahre alt werden können. Von Unsterblichkeit ist zwar nie die Rede, aber tausend Jahre sind trotzdem eine viel längere Zeitspanne, als die durchschnittliche Lebenserwartung eines Menschen (die weltweit übrigens im Schnitt bei 70,6 Jahren für Männer und bei 75 Jahren für Frauen liegt).
Der Roman beleuchtet viele Probleme des Aufwachsens und natürlich gibt es auch die ein oder andere Liebesgeschichte, die in die Gesamthandlung eingewebt wurde. Wenn ich ganz ehrlich bin – und das versuche ich bei meinen Bookreviews immer zu sein – dann passiert die ersten 250 Seiten des Buches eigentlich überhaupt nichts. Zumindest nichts Nennenswertes. Wir bekommen zwar immer wieder mit, wie schlecht es Jude und Taryn doch haben, was für Arschlöcher ihre elfischen Mitschüler sind und wie Sterbliche in der Elfenwelt wie Dreck behandelt werden. Auf eine große, alles bedrohende Apokalypse, eine epische Schlacht oder wenigstens eine große Prophezeiung wartet man hier jedoch vergeblich.
Nichtsdestotrotz hat Elfenkrone auf die letzten Kapitel doch noch mein Interesse geweckt. Das Ende des Buches kommt nämlich ganz anders als erwartet...
Das gefällt mir gut!
Ich könnte jetzt irgendetwas sagen wie: „Oh, der Schreibstil war echt nett“ oder „Ich finde die Charaktere sind echt toll ausgearbeitet“, aber obwohl das vielleicht zutreffend ist, wäre es doch irgendwie geheuchelt, weil ich den Anfang des Buches überhaupt nicht gut fand. Der Plot war irgendwie… nicht vorhanden? Es ist einfach weit und breit nichts Spannendes passiert.
Doch nun, da ich das Ende des Romans kenne, muss ich gestehen, dass das Buch doch seine Stärken hat. Auch wenn es kein Weltuntergangsszenario gibt und die epische Schlacht am Ende ausbleibt, nimmt die Geschichte doch die ein oder andere unvorhergesehene Wendung. Ein Kapitel erinnerte mich sehr stark an die Rote Hochzeit (Red Wedding) von Game Of Thrones. Wer die Serie kennt, weiß jetzt, dass Holly Black durchaus nicht davor zurückschreckt, sich auch mal die Finger schmutzig zu machen. Weiterhin besticht Elfenkrone gegen Ende durch die delikat ausgearbeiteten Intrigen und Machtspielchen innerhalb des Elfenadels, welche dem Buch doch noch eine gewisse Würze verleihen.
Lohnt sich das Buch? – Mein Fazit
Ich würde mir den zweiten Band der Reihe nicht kaufen. Das fasst denke ich meine Meinung zu dem Roman ganz gut zusammen. Es war ein hübsches Buch, das anfangs sehr zäh gestartet ist, aber am Ende doch nochmal ein paar nette Kapitel hatte. Trotzdem ist es einfach nicht mein Genre und der Schreibstil von Holly Black hat mir persönlich nicht zugesagt. Dennoch hat das Buch offenbar den Phantastik Preis gewonnen und erfreut sich auch so einer relativ breiten Leserschaft. Von daher würde ich sagen, dass der erste Band zumindest mal einen Versuch wert ist, wenn ihr euch für Urban Fantasy und New Adult (?) / Young Adult (?) begeistern könnt.
An dieser Stelle – ihr kennt den Drill – folgt nun die Gesamtwertung:
Sahnigkeit: Magerstufe
Thrillometer: 110/240 bpm
Genussform: nicht für Vegetarier geeignet
Scherzspektrum: 3/10 Kichererbsen
Romantikmesser: Hier genügt ein 2-lagiges Papiertaschentuch
Charakterbindung: Dünne Stricke (ich persönlich konnte mich kaum mit den Charakteren des Romans identifizieren).
Da es in den Kommentaren gewünscht wurde, möchte ich an dieser Stelle noch ein paar Worte zu den oben genannten Wertungen abgeben.
Die Sahnigkeit gibt an, wie leicht sich ein Buch liest. Die Bewertung geht hier von Magerstufe über Halbfett zu Fettstufe zu Vollrahmig bis hin zu Doppelrahmstufe. Je „fetter“ die Stufe, desto cremiger der Lesegenuss, was heißt, dass sich das Buch leichter herunterliest.
Das Thrillometer gibt den durchschnittlichen Herzschlag beim Lesen an. Ein niedriger Puls indiziert einen langweiligen Schinken für triste Abende, während ein hoher Puls auf eine spannende Lektüre hindeutet.
Die Genussform habe ich eingeführt, um für sensible Leser einen Anhaltspunkt zu geben, wie blutig oder nicht-blutig das Buch gestaltet ist.
Auf dem Scherzspektrum lässt sich schnell und einfach ablesen, wie humorvoll der Roman geschrieben ist. Die Bewertung erfolgt hier anhand einer Skala von 1-10 Kichererbsen, wobei 1 Kichererbse einem sterbenslangweiligen Sachbuch entspricht und 10 Kichererbsen einem echten Brüllerroman.
Der Romantikmesser gibt an, wie es um die Liebesgeschichten innerhalb des Romans bestellt ist. Die Skala reicht hier von dem 1-lagigen Papiertaschentuch, über das 2- und schließlich 3-lagige Papier bis hin zum hochwertigen Stofftaschentuch. Je dicker und feiner der Stoff des Taschentuchs, desto romantischer, herzzerreißender und tränenvoller das Buch.
Zu guter Letzt gibt die Charakterbindung Auskunft darüber, wie gut ich mich persönlich mit den Figuren der Handlung identifizieren konnte. Begonnen bei Dünnen Stricken, die auf eine lose, leicht zerreißbare Charakterbindung hinweisen, geht die Skala über Kabelbinder, bis hin zu Dicken Tauen, Handschellen und schließlich zu den goldenen Eisenfesseln.
Insgesamt gebe ich Elfenkrone eine Wertung von 3.5/10 Schreibfedern. Das Buch entspricht nicht meinem Geschmack und ich habe an mehreren Stellen ernsthaft darüber nachgedacht, es einfach zur Seite zu legen und etwas anderes zu lesen. Davon abgehalten hat mich schließlich hauptsächlich der Gedanke, dass ich am Ende ein Bookreview darüber machen wollte. Nun, das war es.
Schreibt mir super gerne in die Kommentare, was ihr von dem Roman haltet und welche Wertungen ihr dem Buch geben würdet! :)



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