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  • AutorenbildTim J. R. Ufer

Clockwork Orange (Anthony Burgess) | Buchrezension

Clockwork Orange ist kein Roman, den ich mir für gewöhnlich in der Buchhandlung kaufen würde. Das habe ich tatsächlich auch nicht, denn dieses Buch wurde mir von meinem besten Freund geliehen, der mir vorzügliches Lesevergnügen versprach, ohne dass ich überhaupt eine Ahnung hatte, um was es in diesem ziemlich mageren Taschenbuch mit dem seltsamen Cover und dem noch seltsameren Titel eigentlich gehen soll.

Ich war also anfangs durchaus skeptisch, als ich mit gerunzelter Stirn und kritischem Blick ans Werk ging, diesem Buch einmal gründlich auf den Zahn zu fühlen. Bevor ich euch gleich erzähle, weshalb dieses Buch von innen genauso merkwürdig ist wie von außen, ich trotzdem irgendwie davon gefesselt wurde und noch tagelang nach beendeter Lektüre merkwürdige Worte vor mich hinbrabbelte, was umstehende Menschen an meinem Verstand zweifeln ließ, will ich euch wie immer eine kleine Rezension mit auf den Weg geben, die ich bei meiner Recherche zu dem Buch ausgegraben habe.


This book is in German!!!

“The book was completely in GERMAN.. A bit hard to read. Cost an additional 10 Dollars to send it back. Very deceptive”


Das ist besonders lustig, weil das Buch selbst für jemanden der deutsch spricht völlig unverständlich verfasst ist. Eine weitere Rezension belegt dies aufs Vorbildlichste:


Unverständlich

Da ich mal irgendwo aufgeschnappt habe,dass der Film Clockwork Orange sehr sehenswert sei und dieses Buch zufällig vor mir liegen sah, hab ich mir gedacht, dass ich da eigentlich nichts falschmachen könnte. Ich kam jedoch nie so richtig in den Handlungsstrang, da ich das Buch nach einigen Kapiteln verzweifelt in die Ecke geworfen hab. In jedem zweiten Satz sind Wörter durch irgendwelchen Kauderwelsch ersetzt worden, was es mir unmöglich machte der Handlung zu folgen.

Zum Beispiel: "Ah, ich vidde" sagte ich. "Ich vidde horrorshow." oder: "Ich fühlte, wie ich inwendig ganz rasdras und bremsig wurde, aber ich versuchte..."

Sorry, vielleicht mag das ja irendwelchen Sprachwissenschaftlern was sagen, mir jedoch nicht!


Der starrige Fecke, der das geschrieben hat, hat mit seinen Ausführungen vielleicht ein malenkiges bisschen recht, aber ich persönlich fand das Buch echt horrorshow (Erklärung folgt…).


Zu den allgemeinen Facts

Clockwork Orange“ ist tatsächlich schon ein ziemlich alter Schinken. 1962 ist das Buch in der Erstauflage im Englischen erschienen und 1971 folgte dann die deutsche Übersetzung (mit gleichem Titel, was offenbar einige Menschen auf Amazon verwirrt hat, die dann plötzlich ein deutsches Buch in der Hand hatten).

Es gibt auch einen Film zu dem Buch, der ist fast genauso alt und genauso wie das Buch mit zahlreichen hervorragenden Kritiken gesegnet. So wurde er Roman beispielsweise vom Time Magazine zu einem der 100 besten englischsprachigen Romanen zwischen 1925 und 2005 gewählt. Außerdem befanden 2015 auch 82 internationale Literaturkritiker und -wissenschaftler, dass es sich bei dem Buch um einen der bedeutendsten britischen Romane handelt. Ich persönlich würde so weit vielleicht nicht gehen, aber ich halte auch sonst eigentlich nicht viel von solchen Auszeichnungen. Meistens setzen die einfach nur die Messlatte der Erwartungen sehr hoch, die dann unmöglich erreicht werden kann.


Wie es bedeutende Romane so an sich haben, hat die Handlung in Clockwork Orange eine tiefere Bedeutung und soll seinen Lesern eine klare Botschaft übermitteln. Grob zusammengefasst geht es darum, dass Menschen mit Früchten (vorzüglich mit Orangen) verglichen werden und es wird argumentiert, dass man ein Stück Gemüse ja schließlich auch nicht aufziehen kann wie eine Taschenuhr. Dann ist da noch ganz viel gesellschaftskritisches Palaver hier, ein paar politische Seitenhiebe dort und das wars eigentlich. Sorry, aber wenn ihrs ganz genau wissen wollt, müsst ihr halt das Buch lesen, ich führe hier schließlich keinen Schulunterricht!


Ein grober Überblick über die Handlung

Wenn man einmal das zarte Fleisch des tieferen Sinns zur Seite zupft, erscheint darunter ein starriges Handlungsskelett, dass durchaus Lust zum Lesen macht. Kurz zusammengefasst geht es in der Geschichte um den Tschelluffjek (ich habe keine Ahnung, was die genaue Übersetzung ist, aber ich vermute sowas in die Richtung von „Junge“) Alex, der gemeinsam mit seinen Freunden die Londoner Vororte unsicher macht. Nach einem hübschen Glas Milch in ihrer Lieblingsbar, welches mit feinsten Vorstadtdrogen angereichert ist, itzen die Jungen los, um ein malenkiges bisschen mit ein paar starrigen Fecken zu schäkern und ein paar horrorshow Tollschocks zu verteilen. Das geht ganz skorri (einfach die Rucke in die Flappe und ein paar Zuppis raushauen) und ein bisschen Deng springt auch dabei heraus, von dem die Knaben ihre neusten Plattis und weitere Drogen finanzieren.


Wenn ihr jetzt von den letzten zwei Sätzen nur die Hälfte verstanden habt, dann wisst ihr schonmal was auf euch zukommt, wenn ihr dieses Buch in die Hände nehmt. Anthony Burgess hielt es nämlich für eine gute Idee, seinen Roman in einem selbst erfundenen Jugendslang zu verfassen, den kein Mensch versteht und für den man einen eigenen Glossar am Ende des Buches benötigt. Aber bevor ich weiter auf den Schreibstil usw. eingehe, fasse ich hier vielleicht noch kurz den Rest der Handlung zusammen (und zwar auf Deutsch).


Alex und seine Freunde führen ein sehr unbeschwertes Leben, ziehen des Nachts durch die Straßen und prügeln alles und jeden windelweich, der ihnen über den Weg läuft. Die Polizei ist nur sporadisch im Einsatz und die Jungen sind klug genug, sich nicht fassen zu lassen. Dann jedoch wird Alex, der bisher immer der Anführer der Truppe war, von seinen Kameraden hintergangen und schließlich von der Polizei geschnappt. Es stellt sich heraus, dass eine alte Frau, die er vorher mit seinen Tschelluffjeks überfallen hatte, an den Folgen des Überfalls gestorben ist. Alex wird daraufhin zu 15 (?) Jahren Gefängnis verurteilt. Dort geht (wer hätte es gedacht) das Geprügel weiter, bis Alex schließlich zu einer Sondertherapie eingewiesen wird, nach deren Laufzeit von 2 Wochen er bereits frühzeitig entlassen werden soll. Alex, der offenbar keine 5 Gehirnzellen mehr beisammen hat, unterschreibt die Formulare für die Therapie sofort. In der Behandlung soll Alex von seinen früheren Lastern geheilt werden, was mithilfe einer Menge chemischer Substanzen und Folter geschieht, die Alex unter Zwang verabreicht wird. Anschließend wird Alex wieder zurück ins normale Leben geworfen, wo er (oh, Wunder!) überhaupt nicht zurechtkommt. Den Rest lass ich jetzt mal im Trüben, aber ihr könnt es euch ja ungefähr ausmalen. Es gibt übrigens ein Happy End.


Das gefällt mir gut!

Zu dem sonderbaren Schreibstil von Anthony Burgess habe ich ja schon ein paar Slowos (zu Deutsch: Worte) fallen gelassen. Ich persönlich finde selbst ausgedachte Sprachen in Bücher immer super faszinierend und für mich hat dieser Aspekt den Roman überhaupt erst lesenswert gemacht. Die konstruierte Jugendsprache heißt übrigens Nadsat (russischer Suffix der Zahlen elf bis neunzehn, übersetzbar mit „Jugendlicher“) und setzt sich aus verschiedenen Worten aus dem Russischen, aus der Zigeunersprache und dem Londoner Cockney Rhyming Slang zusammen (Quelle: Wikipedia).

Burgess verwendet dieses Stilmittel der erfunden Sprache, um die teils sehr brutale Zurschaustellung von Gewalt gewissermaßen hinter einem Vorhang der Sprachunverständlichkeit zu verbergen und somit eine Distanz zwischen der Gewalt und dem Leser zu schaffen. Man weiß beim Lesen zwar die ganze Zeit in etwa, was gemeint ist und man kann sich die grobe Bedeutung der Worte irgendwann aus dem Kontext erschließen, aber die schrecklichen Bilder der Gewalt sind dadurch eben doch etwas gedämpft. Diese Art der Verwendung von Sprache finde ich ziemlich cool und hat das Ansehen des Buches in meinen Augen merklich erhöht!


Lohnt sich das Buch? – Mein Fazit

Insgesamt würde ich schon sagen, dass sich das Buch lohnt, auch wenn es eigentlich überhaupt nicht mein Genre ist. Allein die Sache mit der Sprache war für mich bereits ein Faktor, der den Roman sehr lesenswert gemacht hat. Außerdem ist das Buch nicht gerade dick und somit leichte Kost im Verzehr. Nun aber zu den allgemeinen Wertungen:


Sahnigkeit: Fettstufe

Thrillometer: 80/240 bpm

Genussform: enthält ganz viel rotes, rotes Kroffi (zu Deutsch: Blut)

Scherzspektrum: 5.5/10 Kichererbsen

Romantikmesser: kein Taschentuch vonnöten

Charakterbindung: Kabelbinder


Damit schafft es Clockwork Orange von Anthony Burgess bei mir auf eine Gesamtwertung von 5.5/10 möglichen Schreibfedern. Wie gesagt: Kein Buch, das ich für gewöhnlich lesen würde, aber trotzdem gute Unterhaltung mit tiefgehender Botschaft!

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