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18. Kapitel - Wir polieren ein paar Edelsteinen die Fresse | CrayZ

  • Autorenbild: Tim J. R. Ufer
    Tim J. R. Ufer
  • 19. Juli 2021
  • 6 Min. Lesezeit

»Nik, was siehst du? Wie viele sind es?‹‹, fragt der kleine, hellgraue Kiesling auf meinem Schoß, während er aufgeregt auf und ab springt.

»Pssst‹‹, mache ich genervt und lege meinen Zeigefinger an den Mund, »Ich muss mich konzentrieren. Das Bild ist noch nicht scharf.‹‹

»Dann mach, dass es scharf wird‹‹, quengelt das Mineral und hüpft ungeduldig von meinem linken auf meinen rechten Schenkel und wieder zurück.

Wir befinden uns im Cockpit des SCHREDDERS und ich bereue es jetzt schon, den Kieslingen erlaubt zu haben, mit an Bord zu kommen. Allerdings haben wir so immerhin den Überraschungseffekt auf unserer Seite.

»Ach, was haben wir denn da‹‹, bemerke ich fröhlich, nachdem sich mein Teleskopblick auf den Grotteneingang vor uns endlich geschärft hat, »Zwei breite Amethystendrusen und ein dürrer Smaragdling. Damit werden wir fertig!‹‹

»Lass mich auch mal durchgucken!‹‹, fordert der Steinling auf meinem Schoß mit piepsiger Stimme.

Seufzend löse ich mein Gesicht von dem Teleskop-Ausguck des SCHREDDERS und hebe den Kiesling mit meinen Händen in die Höhe, sodass der kleine Stein ebenfalls einen Blick auf die gegnerische Linie werfen kann. Sofort beginnen auch die anderen Kieslinge im Cockpit aufgeregt umher zu hüpfen und mit ihren hohen, piepsigen Stimmen ebenfalls einen Platz am Ausguck zu fordern.

»PSSSST‹‹, mache ich aufgebracht und lasse meinen ausgestreckten Zeigefinger demonstrativ einige Male gegen meine Lippen prallen, »Seid jetzt verdammt nochmal still oder wollt ihr, dass wir den Angriff wegen euch abblasen?‹‹

»Neeeeeiiin!‹‹, quengeln die Kieslinge hastig im Chor.

»Wir sind ganz still. Feldspatehrenwort‹‹, piepst ein aufgeregter Steinling an meinem linken Fuß.

»Gut, dann lasst uns endlich loslegen‹‹, erwidere ich knurrig und werfe einen Blick zu Clara, die neben mir am Steuer sitzt, »Bist du bereit?‹‹

Clara nickt entschlossen. Ich drehe mich ein wenig in meinem Sitz, sodass ich Thorsten und Torben sehen kann, die hinter uns an den Waffensystemen stehen. Ich hoffe inständig, dass mein kleines Quick-Tutorial zur Funktionsweise des Flammenwerfers, der Splittergranaten und der elektrischen Diamantblattsäge ausreichen, um uns vor der versehentlichen Selbstzerstörung zu bewahren. Wie die beiden Brüder nun aber an den großen Steuerungsknüppeln stehen und ihr irres Grinsen aufgesetzt haben, muss ich zugeben, dass sie perfekt für den Job geschaffen sind.

»Alles klar da hinten?‹‹, frage ich und versuche dabei ruhig und gefasst zu klingen. Trotzdem schwingt ein gewisser Anflug von Erregung in meiner Stimme mit.

»So klar wie Sumpfkartoffelschnaps!‹‹, erwidert Thorsten grinsend.

»Jawohl, Käpt’n!‹‹, ruft Torben und salutiert.

Ich schüttele nur lachend den Kopf und wende meinen Blick wieder nach vorne.

»Dann mal los! Vater Fels und die anderen Kieslinge warten auf unser Zeichen‹‹, sage ich und Clara drückt ihren Lenkknüppel nach vorne. Sofort setzt sich der mächtige Stahltitan unter unseren Hintern in Bewegung.

Bei jedem Schritt des SCHREDDERS erzittert das ganze Cockpit, während wir uns unaufhaltsam dem dunklen Höhleneingang nähern. Ein seltsames Kribbeln erfasst mich, welches mich beinahe genauso erzittern lässt, wie der Stahlriese unter mir. Heiße Aufregung köchelt brodelnd in meiner Magengrube.

Ich wische mir den Schweiß von der Stirn und presse mein Gesicht zurück an das Fernrohr. Die Edelsteinlinge beim Höhleneingang scheinen uns glücklicherweise noch nicht bemerkt zu haben. Wir nähern uns von ihrer Linken, sodass wir uns außerhalb ihres Blickfeldes befinden.

»Halt!‹‹, rufe ich und Clara lässt den SCHREDDER abrupt anhalten, »Wir sind jetzt nah genug. Zeit, den anderen das Zeichen zu senden.‹‹

Ich wende mich in meinem Sitz und blicke Thorsten erwartungsvoll an. Dieser nickt und schiebt sich eine höchst kompliziert wirkende High-tech-Steuerungsbrille über die Augen. Währenddessen ergreift er die beiden Steuerungsknüppel vor sich, drückt einige Tasten und betätigt zum Schluss den blutroten Knopf unter seinem rechten Daumen. Sofort ertönt ein fieses Zischen, wie das einer wütenden Kobra, der jemand auf den Schwanz getreten ist und im nächsten Moment steigt eine graue Dampfwolke über dem Kopf des SCHREDDERS zum Himmel empor.

Gespannt starre ich erneut durch meinen Ausguck, um das weitere Geschehen zu verfolgen. Ich muss nicht lange warten, da rollt Vater Fels mühsam aus dem Gebüsch vor dem Höhleneingang. Um ihn herum hüpfen aufgeregt die restlichen Kieslinge umher.

Die beiden Amethystendruslinge und der hagere Smaragdling entdecken die ungebetenen Gäste sofort und versperren den Eindringlingen den Weg. Die zwei breitschultrigen Druslinge zeigen angriffslustig ihr funkelndes Inneres, während sie sich mit ihren dicken Beinchen Vater Fels und den Kieslingen entgegen schieben.

Der dürre Smaragdling stakst in sicherer Entfernung hinter den Türsteher-Amethysten auf seinen dürren Gliedmaßen aufgeregt umher. Als einziger der anwesenden Gestalten besitzt er nicht nur Beine, sondern auch zwei dünne, beinahe durchsichtige Ärmchen, die in dem gleichen grünlichen Licht schimmern, wie sein restlicher Körper.

»Was passiert da vorne?‹‹, fragt der Kiesling auf meinem Schoß vorsichtig, um mich nicht wieder zu verärgern.

Ich lasse mir für meine Antwort ein paar Sekunden Zeit, in denen ich angestrengt das Schauspiel vor dem Grotteneingang studiere.

»Sie unterhalten sich‹‹, murmele ich schließlich, »Unser Ablenkungsmanöver scheint zu funktionieren. Sie wagen sich aus der Höhle heraus. Clara, bring das Baby wieder in Schwung!‹‹

»Nichts lieber als das‹‹, erwidert Clara mit grimmiger Miene und Augenblicke später stampft der SCHREDDER weiter durch das Unterholz.

»Vollgas!‹‹, befehle ich, »Und Torben, es wird langsam Zeit für ein wenig Stimmung!‹‹

»Aye, aye, Käpt’n!‹‹, ruft Torben, der mittlerweile voll in seinem Element ist, »Aktivere Subwoofer in 3… 2… 1…‹‹

Im nächsten Moment dröhnt ein so mächtiges und markerschütterndes Brüllen durch den gesamten Wald, dass selbst die Baumwipfel vor Angst erzittern. Die geballte Wucht uralter animalischer Grausamkeit, gebündelt und verstärkt durch die neuste Audiotechnik rollt wie ein Orkan über den Himmel. Dieses Brüllen, dieser Ausdruck ungebändigter Stärke und tierischer Verwegenheit rast so laut und so durchdringend durch die kühle Waldluft, dass bei seinem Klang jeder Tornado vor Schreck augenblicklich in eine milde Flaute umgeschlagen hätte.

Der SCHREDDER ist entfesselt!

Sofort wirbeln die Edelsteinlinge vor uns so schnell herum, wie es ihnen ihre dicken Beinchen erlauben. Während die breiten Amethysten nur ziemlich blöde dreinschauen, nimmt der Smaragdling bereits seine Füße in die Hand, um zurück in die sichere Höhle zu fliehen.

Aber zu spät.

Fünf Kieslinge stürzen sich bereits von hinten auf ihn und rammen dem Edelstein ihre steinharten Schädel in die Seite. Ein besonders tollkühner Steinling springt dem verzweifelten Juwel auf den Kopf und beginnt mit einer Kopfmassage der gröberen Art.

Im nächsten Moment haben auch wir die Grotte erreicht. Über die Bildschirme im Cockpit beobachte ich das Spektakel und wünsche mir, jemand hätte an Popcorn gedacht.

Thorsten und Torben lassen das mächtige Gebiss des SCHREDDERS nach unten schnellen und im nächsten Moment wird ein verdutzter Amethystendrusling kreischend in die Luft gehoben. Es ertönt ein unangenehmes Knirschen und ein violetter Glitzerregen ergießt sich vor uns auf den grünen Waldboden.

Das ist zu viel für den zweiten Amethystling. Schreiend ergreift er die Flucht ins Unterholz. Diesmal ist es aber Vater Fels, der ihm den Weg versperrt.

Im Gegensatz zu den schmächtigen Kieslingen ist der Drusling ein wahrer Hüne. Er ist sicher viermal so hoch und dreimal so breit wie der größte von ihnen. Doch verglichen mit dem mannshohen Granitbrocken, der sich nun vor ihm aufbaut, wirkt er plötzlich wie ein Zwerg.

»Fels fällt‹‹, dröhnt Vater Fels mit seiner tiefen Stimme und lässt sich einfach vornüberkippen. Krachend zermalmt er den völlig überraschten Amethystendrusling unter sich zu Staub.

»Juhuuu!‹‹, quittieren die Kieslinge im Cockpit den schnellen ersten Sieg und hüpfen aufgeregt umher, »Vater Fels hat mal wieder gerockt!‹‹

»Alles gut da draußen?‹‹, frage ich die Steinlinge zu unseren Füßen durch das Bordmikrofon, »Ist jemand verletzt?‹‹

»Ich fühl mich glänzend, wie ein frisch geölter Diamantling!‹‹, ruft der dunkle Kiesling namens Rocky zurück ins Außenmikrofon. Die restlichen Steine fallen in zustimmendes Geschnatter ein, während sie noch immer auf dem armen Smaragdling herumhüpfen, der stöhnend und jammernd am Boden liegt.

»Mir müsste vielleicht mal jemand aufhelfen‹‹, ertönt plötzlich eine tiefe, gedämpfte Stimme. Vater Fels liegt noch immer mit dem Gesicht voran auf der Erde. Seine kurzen, dicken Stummelbeinchen strampeln nutzlos in der Luft herum.

»Thorsten, Torben, ihr habt den Steinbrocken gehört‹‹, sage ich und kann mir ein Kichern kaum unterdrücken, »Gebt dem alten Herrn mal einen kleinen Schubser.‹‹

Grinsend gehen die Zwillinge ans Werk und wenige Augenblicke später steht Vater Fels dank der gewaltigen Kraft des SCHREDDERS wieder aufrecht. Der Boden vor ihm ist bedeckt mit feinem Edelsteinpulver.

»Wie geht es jetzt weiter, Käpt’n?‹‹, fragt Clara und ein spöttisches Lächeln stiehlt sich auf ihre schmalen, roten Lippen. Für einige Sekunden versinke ich in Claras tiefgrünen Augen wie in einem weichen Federbett.

»Oh ja, ein Federbett – genau der Ort, an dem ich jetzt mit dir sein möchte!‹‹, denkt mein Gehirn ungebeten. Ich züchtige sofort dieses ungezogene Verhalten, indem ich den Blick von meiner Herzensdame losreiße, und entschlossen auf den großen Bildschirm direkt vor meinem Gesicht starre.

»Wir jagen dir nen hübschen Klunker und machen dir daraus ne Halskette‹‹, sage grimmig, während ich weiterhin stur geradeaus gucke. Clara-Justine verfällt in ein Lachen, das wie ein Schwarm Schmetterlinge kitzelnd zu mir herüber schwebt, meine kalte Miene aufbricht als wäre sie Eis und mir ein Lächeln auf das Gesicht zaubert. Völlig hilflos kann ich nicht anders als in ihr Lachen mit einzufallen.

»Habt ihr‘s bald, Turteltäubchen?‹‹, fragt ein mutiger Kiesling zu meinen Füßen ungeduldig.

Sofort werde ich lachsrot im Gesicht. Peinlich berührt wende mich schnell von Clara ab, damit sie es nicht bemerkt.

»Dann mal rein in die flotte Grotte‹‹, versuche ich die Worte des frechen Kieslings einfach völlig zu ignorieren.

»Jawohl Käpt’n!‹‹, erwidert Clara und salutiert, wobei sie mich neckisch angrinst. Dann ergreift sie den großen Steuerknüppel vor sich und wir betreten die Höhle der Edelsteinlinge.

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