16. Kapitel - Ich sehe die Moorhexe nackt (#instantregret) | CrayZ
- Tim J. R. Ufer

- 19. Juli 2021
- 10 Min. Lesezeit
Als ich endlich aus meinem Komatraum erwache brummt mein Schädel wie ein uralter Dieselmotor. Für einige Augenblicke ist die Welt um mich herum grau und verschwommen. Ich blinzele, taste mit meinen tauben Fingern den harten Lehmboden ab. Benommen versuche ich mich aufzusetzen.
Sofort spüre ich stützende Hände an meinem Rücken und ein vertrautes Stimmengewirr prasselt sanft von allen Seiten auf mich herab wie ein herbstlicher Regenguss.
Langsam nehmen die schemenhaften Umrisse um mich herum Gestalt an. Wie ein höchst kompliziertes Puzzle – eines von der Sorte, die ich sofort wieder zurück in den Schrank legen würde – fügt sich die Welt vor meinen Augen zusammen.
»Nik, bei dem sieben Sumpfgöttern! Ich dachte schon, du wärst abgenippelt‹‹, höre ich eine fröhliche Stimme durch den schwachen Dunst zu mir heran wehen.
»So schnell geht das nun auch wieder nicht‹‹, krächze ich mit rauer Stimme und blinzele in Torbens grinsendes Gesicht, welches über mich gebeugt ist. Ich lasse meinen Blick weiter schweifen, bleibe kurz an Thorstens fröhlicher Miene haften, schenke ihm ein schiefes Lächeln und halte schließlich bei Clara inne.
Ihre von Schmerz und Kummer geröteten smaragdgrünen Augen werden von dunklen, tiefblauen Ringen untermalt. Es wirkt so als habe ein verrückter, wenngleich durchaus begabter Künstler in ihrem Gesicht mit seiner Farbpalette herumexperimentiert. Claras Wangen glänzen rötlich feucht im schwachen Licht der Lehmfackeln, ihre Oberlippe ist aufgesprungen und blutig. Trotzdem liegt eine flammende Dankbarkeit in ihren leuchtenden Augen.
»Die schwarze Gestalt‹‹, wispere ich mit rauer Stimme, während meine Kräfte langsam zurückkehren, »Habt ihr ihn besiegt?‹‹
»Er konnte leider fliehen. Aber wir wissen jetzt immerhin, um was es sich bei ihm handelt‹‹, antwortet Torben mit einem Seufzen.
»Und? Was ist das für ein Wesen?‹‹, will ich wissen. Ich habe es nun endgültig geschafft, mich aufzusetzen und nehme nun meine Umgebung etwas genauer in Augenschein.
Wir befinden uns nach wie vor draußen im Moor. Allerdings an einer Stelle, die von einer Vielzahl knochiger Sumpfeichen von dem Rest der Festung abgeschirmt wird. Ich kann mich nicht daran erinnern, hier schon einmal gewesen zu sein.
»Euer Verfolger ist eines der letzten Exemplare der berüchtigten Killer-Staubsauger. Man nennt ihn auch das wandelnde Stöhnen, den Orangen-Peiniger, oder – wie er sich selbst gerne nennt – Rudy‹‹, erzählt Torben und unterstreicht seine Worte mit einigen dramatischen Gesten. Anschließend macht er eine spannungsreiche Pause, um das Gesagte wirken zu lassen.
Schließlich fährt er fort: »Wir konnten ihn davon abhalten, dich in seinen Beutel zu saugen. Du musst wissen, auf Thorsten und mich hat sein Orangen-Parfüm nicht den gleichen Effekt wie auf dich. Wir sind so sehr an die übelsten Gerüche und Duftnoten gewöhnt, dass er uns damit nichts anhaben konnte. Wir haben der Blechbüchse einige saftige Hiebe mit unseren Spaten verpasst, das hat ihm nicht gefallen. Da ist er schließlich abgehauen.‹‹
»Und ihr habt ihn einfach fliehen lassen?‹‹, frage ich fassungslos, »Er wird uns wieder angreifen!‹‹
Torben hebt entschuldigend die Hände: »Killerstaubsauger können ihre Saugkraft umkehren, sodass sie wie ein Jetpack durch die Luft fliegen. Er war weg, bevor einer von uns auch nur Moorhuhn sagen konnte.‹‹
Ich nicke verständnisvoll, stütze meine Arme in den lehmigen Untergrund und versuche, auf die Beine zu kommen. Mit einiger Hilfe von außen schaffe ich das schließlich auch und nun stehe ich ein wenig schwankend auf wackeligen Beinen da.
»Ich denke, ihr beide seid uns noch eine Erklärung schuldig‹‹, krächzt plötzlich eine hohe, kratzige Stimme einige Meter entfernt von uns. Erst runzele ich verwirrt die Stirn, denn ich kann dort niemanden erkennen. Doch dann fällt mein Blick auf das blubbernde Schlammloch im Boden. Beißende, faulige Dämpfe steigen aus dem heißen Schlammbad auf und vermischen sich mit dem grauen Dunstschleier, der noch immer überall in der Luft hängt. Einige Zentimeter über der ekelerregenden Pfütze schwebt ein einsamer, spitzer Hut. Auf einmal kippt der Hut nach hinten und das alte, faltige Gesicht der Moorhexe kommt unter der breiten Krempe zum Vorschein. Nun wird mir auch klar, warum ich diesen Ort noch nie zu Gesicht bekommen habe. Wir befinden uns in den privaten Schlammgemächern der Moorhexe.
»Meine Herrin‹‹, grüße ich das alte Weib und verbeuge mich tief, »Wofür genau verlangt ihr eine Erklärung?‹‹
»Hä?‹‹, keift mich die Alte an. Sie erhebt eine ihrer knochigen Hände aus dem heißen Schlammbad, schiebt sich den Zeigefinger in ihr rechtes Ohr und dreht ihn zweimal ruckartig herum.
»Sorry, meine Ohren waren noch voller Matsch. Was wolltest du noch gleich wissen, mein Junge?‹‹, krächzt die Hexe, nachdem sie sich den Finger wieder aus ihrem Gehörgang gezogen hat.
Ich gehe sicherheitshalber einige unsichere Schritte auf meine neue Herrin zu, um mich nicht noch fünfmal wiederholen zu müssen.
Dann frage ich höflich: »Für was wünscht Ihr eine Erklärung?‹‹
Das alte Weib mustert mich eingehend von Kopf bis Fuß. Da sie noch immer bis zum Kinn im Schlamm steckt, muss sie dazu ihren Kopf so stark in den Nacken legen, dass ich schon fürchte, sie könne sich selbst dabei das Genick brechen. Vorsichtig gehe ich vor ihrem Schlammloch in die Knie, damit wir zumindest einigermaßen auf Augenhöhe sind. Ich bereue mein zuvorkommendes Handeln allerdings sofort, denn nun schlagen mir die fauligen Ausdünstungen des Bodens unmittelbar entgegen. Alles in mir kämpft gegen den aufkommenden Würgereiz an.
»Killer-Staubsauger sind die geborenen Entführer. Vor einigen Jahren wurde eine ganze Armada von ihnen aus den Toren des Schwarzen Loches gepustet. Obwohl sie aufgrund ihrer Fähigkeiten und ihrer Gestalt allgemein gefürchtet werden, sind sie allerdings von Grund auf friedvolle Gesellen. Sie greifen nur an, um ihre Familien zu beschützen oder weil sie von jemandem dazu angeheuert wurden, der ihnen ausgesprochen viel Geld zahlt. Ich frage mich, warum es dieser tödliche Nachfahre eines Haushaltsgeräts ausgerechnet auf dich abgesehen hat, mein Junge‹‹, sagt die Hexe mit ihrer kratzigen, hohen Stimme und blickt mich forsch an.
»Nun, ich fürchte die Sache ist etwas kompliziert‹‹, erwidere ich und werfe einen flüchtigen Blick über die Schulter.
»Wir sollten es ihr erzählen‹‹, meint Clara sanft und nickt mir ermutigend zu, »Sie hat uns bei sich aufgenommen und uns beschützt. Vielleicht kann sie uns auch diesmal helfen.‹‹
Ich bin nicht vollständig überzeugt, aber ich weiß auch, dass Clara recht hat. Die Hexe und ihre Soldaten waren bislang immer freundlich zu uns, haben uns Nahrung und Unterschlupf gegeben und uns sogar im Moorjutsu unterrichtet. Warum also nicht die ganze Wahrheit erzählen?
Seufzend lasse ich mich auf den schlammigen Boden plumpsen und beginne mit meiner Erzählung. Ich berichte ihr ausführlich von meinem Gedächtnisverlust und wie ich anschließend dem verrückten Kauz namens Socke begegnet bin. Bei seinem Namen horcht die Hexe etwas genauer auf, unterbricht mich aber nicht.
Ich erwähne auch die Karte, die der Alte mir gegeben hat, wie ich Clara-Justine kennengelernt habe und von unserer Reise bis in den Wald der ersten Menschen. Bei all dem sage ich allerdings kein Wort von dem riesigen Metalldinosaurier, der noch immer irgendwo draußen im Wald herumsteht. Auch meine beiden Albträume lasse ich bei meinen Erzählungen unerwähnt. Irgendwie sind sie mir peinlich und ich wüsste nicht, warum sie für das alte Weib von Bedeutung sein sollten.
»Soso‹‹, murmelt die Hexe gedankenversunken als ich endlich geendet habe, »Socke, die alte Zuckerrübe hat dir also eine Karte gegeben, Hä?‹‹
»Ja‹‹, antworte ich und hole den mittlerweile ziemlich zerknitterten Papierfetzen aus meiner Hosentasche. Ich halte der Hexe die ausgebreitete Karte vor die Nase und sie studiert das Pergament für einige Augenblicke eingehend. Schließlich seufzt sie und nickt zum Zeichen, dass ich die Karte wieder einstecken darf.
Dann krächzt sie widerwillig: »Socke hat recht. Wenn es einen Ort gibt, an dem du deine Erinnerungen zurückbekommst, dann befindet er sich im Schwarzen Tempel. Die Frage ist, mein Junge, ob du das auch wirklich willst.‹‹
Das alte Weib mustert mich eingehend. Ihre Miene ist unergründlich.
»Ich werde dir jetzt was verraten‹‹, meint die Hexe und fährt fort, »Ich bin eigentlich gar keine Hexe. Ich bin zwar alt und verbittert und meine Haut spannt sich längst nicht mehr wie früher mit ihrer jugendlichen Leichtigkeit über mein Gesicht, aber zaubern kann ich etwa genauso gut wie Thorsten logisch denken kann.‹‹
»Ey!‹‹, ruft Thorsten und stemmt beleidigt die Fäuste in die Hüften. Torben hingegen grinst blöde und versetzt seinem Zwillingsbruder einen Faustschlag gegen die Schulter.
»Ach, tut mir leid, mein Lieber! Hab euch beide schon wieder verwechselt, ich meinte natürlich Torben‹‹, verbessert sich die Alte hastig.
»Ey!‹‹, ruft nun Torben und jetzt ist Thorsten damit an der Reihe, blöde zu grinsen.
»Wie auch immer‹‹, krächzt die Hexe genervt und wendet sich wieder mir zu, »Ich hab jedenfalls keinen noch so kleinen Funken Magie in mir. Es ist so, mein Junge: Durch das Schwarze Loch sind wahnsinnig viele, sehr mächtige Kreaturen in diese Welt gekommen. Die meisten von ihnen sind friedfertige Zeitgenossen, aber einige haben einen gewissen Hang zu Chaos und Mord. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, denjenigen Wesen und Daseinsformen in meiner schlammigen Festung Schutz zu gewähren, die nur ein friedliches Leben führen wollen. Da ich selbst leider nur ein Mensch bin und nicht allzu viel ausrichten kann, trainiere ich meine Moorsoldaten, damit sie sich selbst verteidigen können, wenn es darauf ankommt.‹‹
»Das heißt‹‹, beginne ich vorsichtig, »Diese ganze Sache mit der Moorhexe ist nur ein Image?‹‹
»Jup‹‹, erwidert die Hexe salopp und lässt sich noch ein wenig tiefer in das blubbernde Schlammbad sinken, »Als Mensch macht man heutzutage einfach nicht mehr genug Eindruck, fürchte ich. Da musste ich improvisieren.‹‹
»Verstehe‹‹, antworte ich und werfe einen flüchtigen Blick über die Schulter zu meinen Freunden. Clara scheint über das Geständnis der alten Hexe genauso verblüfft wie ich. Thorsten und Torben hingegen haben in der Zwischenzeit aus Langeweile angefangen, Sching Schang Schong zu spielen. Offensichtlich sind die beiden bereits eingeweiht.
»Sieh, mein Junge, ich möchte dich und deine Freundin hier von nichts abhalten‹‹, fährt das Weib fort, während sie einige unbeholfene Schwimmzüge in ihrem Schlammtümpel vollführt, »Es ist nur so: Die Schlammige Festung ist wahrscheinlich der sicherste Ort für euch beide. Warum auch immer dieser Killer-Staubsauger euch verfolgt, er wird es wieder versuchen. Das sind hartnäckige und zähe Burschen, sage ich dir. Besser ihr lasst es nicht drauf ankommen.‹‹
»Ich glaube nicht, dass es so einfach ist‹‹, meint auf einmal Clara und hockt sich neben mich an den Rand der Schlammgrube, »Nik, du solltest ihr von deinen Träumen erzählen.‹‹
»Was für Träume denn, hä?‹‹, fragt das alte Weib neugierig und kommt nun ganz an den Rand ihres kleinen Tümpels geschwommen, sodass die Spitze ihres Hutes nur wenige Zentimeter vor meinem Gesicht zum Stehen kommt.
Widerwillig erzähle ich der Hexe auch von meinen beiden Albträumen. Bei dem Gedanken an Hannibal Bond, der sich vor meinen Augen in ein grässliches Ungeheuer verwandelt hat, läuft mir ein eiskalter Schauder über den Rücken.
»Höchst sonderbar‹‹, krächzt die Alte nachdenklich. Dann verschwindet sie plötzlich vollständig mit ihrem Kopf im Schlamm, sodass nur noch ihr großer Hut einsam auf der brodelnden Oberfläche schwimmt.
»Meine Herrin?‹‹, rufen Clara und ich im Chor. Erschrocken beuge ich mich nach vorne über den Tümpel. Dabei halte ich den Atem an, um nicht zu viel von den fauligen Dämpfen des heißen Sumpfschlammes zu inhalieren. Doch von der Hexe fehlt jede Spur.
Ich will schon meine Kleider ausziehen und dem verrückten Weib zur Rettung hinterher hechten, da taucht die Alte auf einmal so plötzlich wie sie verschwunden ist wieder auf.
»Ahhh, diese heißen Schlammbäder sind wirklich eine Wonne!‹‹, seufzt die Moorhexe zufrieden. Dabei wischt sie sich mit den schlammigen Händen das schlammige Gesicht ab, was so ziemlich keinen Effekt hat. Dann steckt sie sich routiniert die Finger in die Ohren, um ihre Gehörgänge zumindest vom gröbsten Matsch zu befreien.
»Wo waren wir stehengeblieben?‹‹, fragt die Alte unvermittelt und reckt wieder ihren schiefen Hals, um mich besser in Augenschein nehmen zu können.
»Meine Albträume‹‹, helfe ich der Hexe auf die Sprünge.
»Ach genau!‹‹, krächzt das Weib und nickt heftig, »Ja, die Träume ändern natürlich so einiges.‹‹
»Wieso das?‹‹, frage ich irritiert.
»Nun, ich fürchte, das waren keine Träume‹‹, meint die Hexe und zum ersten Mal seit ich die alte Frau kenne, hat sie eine ernste Miene aufgesetzt, »Einige meiner Schützlinge haben mir von diesem Mister Bond erzählt. Deine Beschreibungen passen haargenau!‹‹
»Sie meinen…‹‹, beginne ich und ich spüre, wie sich dabei alles in mir schmerzhaft zusammenkrampft, »Diese Kreatur gibt es wirklich?‹‹
»Oh ja‹‹, krächzt die Hexe mit erhobenem Zeigefinger, »Er ist eines der schrecklichsten und skrupellosesten Wesen, die das Universum je hervorgebracht hat. Viele meiner Moorsoldaten sind ihm im Inneren des Schwarzen Loches begegnet. Die meisten von ihnen haben das Treffen nur überlebt, weil sie ihm augenblicklich bedingungslose Treue geschworen haben. Soweit ich weiß, ist Bond so etwas wie der König des Schwarzen Loches, der Kaiser der Singularität. Man könnte sagen, er ist der Gebieter über das Innere der mächtigsten Naturgewalt des gesamten Universums!‹‹
Das alte Weib wirft in einer dramatischen Geste ihre Arme in die Luft, wobei dicke, schleimige Schlammbrocken in alle Richtungen spratzen. Einer davon trifft mich genau zwischen die Augen. Angewidert wische ich mir die stinkende Erde aus dem Gesicht.
»Aber das heißt, er ist noch immer da drinnen?‹‹, frage ich hoffnungsvoll.
»Tja, hier wird die Geschichte seltsam‹‹, meint die Hexe nachdenklich, »Von meinen Moorsoldaten weiß ich, dass Bond im Inneren des Schwarzen Loches ein Tor errichtet hat. Eine Verbindungsstelle zwischen unseren Welten. Jedes Wesen, das nur mutig genug ist, kann sie passieren und hier auf den Mond gelangen. Ich schätze Mister Bond nicht gerade als einen Feigling ein, aber trotzdem hat er noch nie einen Fuß in unsere Welt gesetzt. Glaub mir, mein Junge, sonst wüssten wir davon.‹‹
Wieder erfüllt ein seltsames Kribbeln meinen ganzen Körper und ich spüre, wie sich meine Nackenhaare aufrichten. Bei dem Gedanken daran, dass das Wesen aus meinen Albträumen real ist und jederzeit durch das Tor in unsere Welt treten könnte, durchfährt mich ein Schaudern.
»Wir gehen zum Schwarzen Tempel‹‹, sagt Clara-Justine entschlossen, »Wir werden ein für alle Mal herausfinden, was dort vor sich geht.‹‹
Ich sage nichts. In meinem Kopf kreisen noch immer die Gedanken um das Monster aus meinen Träumen.
»Sicher würde es uns alle nachts besser schlafen lassen, wenn ihr die Sache aufklären würdet‹‹, murmelt die Hexe langsam, »Aber es ist eindeutig viel zu gefährlich!‹‹
»Dann lass uns mit ihnen gehen!‹‹, mischt sich Torben plötzlich in das Gespräch mit ein. Auch Thorsten gesellt sich nun zu uns, die Fäuste entschlossen in die Hüften gestemmt.
»Ihr würdet die beiden freiwillig begleiten?‹‹, krächzt die Moorhexe belustigt.
»Meine Herrin‹‹, erwidert Torben und verbeugt sich tief, »Ihr habt uns seit Jahren ununterbrochen versorgt und trainiert. Nun ist es an der Zeit, dass wir uns revanchieren. Dieser James Bond…‹‹
»Hannibal Bond‹‹, werfe ich ein, »Sein Name ist Hannibal.‹‹
»Dieser Hannibal Bond‹‹, fährt Torben unbeirrt fort, »könnte eine Bedrohung für uns alle sein. Lass uns mit Nik und Clara zum Schwarzen Tempel reisen und die Sache ein für alle Mal klären!‹‹
»Was ist euer Plan?‹‹, fragt das alte Weib plötzlich in herausforderndem Tonfall, »Was, wenn der Schwarze Tempel längst unter seiner Kontrolle steht?‹‹
»Wir pflügen den Mistkerl um, wie ein Gemüsebeet!‹‹, ruft Thorsten sofort und hebt seinen Spaten kampfeslustig in die Höhe.
»Und dann verschließen wir die Pforte zum Schwarzen Loch‹‹, fügt Torben mit tödlicher Entschlossenheit hinzu.
Es entsteht eine längere Pause. Ich bin überhaupt nicht von der Idee begeistert, die sicheren Tümpel der Schlammigen Festung zu verlassen, um zum Schwarzen Tempel zu ziehen. Doch bei einem bin ich mir sicher: Solange dieses Wesen aus meinen Albträumen lebt, werde ich nachts kein Auge mehr zu bekommen.
Und da ist auch noch etwas anderes. Ein nagendes Gefühl, ein unangenehmes Kribbeln in meinem Bauch seit dem Moment, in dem die alte Moorhexe mir erklärt hat, dass meine Träume gar keine Träume waren. Ich kann es aber noch nicht ganz zuordnen.
»Dann ist es beschlossen. Ihr vier brecht gleich morgen zum Schwarzen Tempel auf‹‹, krächzt die Moorhexe feierlich und erhebt sich ruckartig aus ihrem Schlammbad. Völlig überrumpelt gelingt es mir nicht, rechtzeitig meine Augen vor dem zu verschließen, von dem ich nun Zeuge werde.
»Urgh‹‹, würgen Thorsten und Torben im Chor. Selbst Clara wendet sich angewidert ab und bedeckt ihre Augen mit den Handflächen.
Für einen Augenblick befürchte ich schon, ich werde ein weiteres Mal an diesem Tag in Ohnmacht fallen. Doch zum Glück greift die uralte, faltige und vor allem splitterfasernackte Hexe zu einem braunen Handtuch neben ihrem Tümpel und bedeckt die wichtigsten Stellen ihres Körpers damit.
»Unheil abgewendet‹‹, kichert das alte Weib fröhlich und beginnt damit, sich den Schlamm von der Haut zu reiben.

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