15. Kapitel - Moorjutsu | CrayZ
- Tim J. R. Ufer

- 19. Juli 2021
- 11 Min. Lesezeit
»Vorsicht Nik!‹‹, höre ich Claras Stimme durch die fauligen Gase des Moors schallen, aber es ist zu spät. Die rostige Schaufel taucht vor mir aus dem Nichts auf und prallt schmerzhaft gegen meine Stirn. Benommen taumele ich zurück und gehe in die Kampfstellung lauernder Salamander, wie ich sie von Torben gelernt habe.
Mein Gewicht liegt auf dem hinteren Bein, das ein wenig eingeknickt ist, während mein vorderes Bein kerzengerade auf meinen Gegner gerichtet ist. Meinen erhobenen Spaten wiege ich im Rhythmus meines Atems ruhig auf und ab.
»Gib auf!‹‹, trompetet der Tintenfischling vor mir durch sein einziges Atemloch. Vier seiner Tentakeln stecken in überdimensionalen und sehr dreckigen Lederstiefeln. Zwei weitere Arme bilden einen undurchdringlichen Schutzschild vor seinem Gesicht, während das Wesen mit seinen beiden restlichen Armen zu einem erneuten Schlag mit dem Spaten ausholt.
»Niemals!‹‹, rufe ich, bin aber angesichts der vielen Arme noch immer etwas verunsichert. Aus dem Augenwinkel sehe ich Clara einen unerbittlichen Kampf mit dem großen, schwarzen Gorilla namens Bruno austragen.
Der Tintenfischling vor mir lässt ein angriffslustiges Pfeifen durch sein Atemloch ertönen und stürzt sich auf mich. Schon prasseln im Sekundentakt die Schläge auf meine Deckung nieder.
Doch ich bin darauf gefasst. Blitzschnell verlasse ich meine Stellung, pariere das erste Dutzend Hiebe und kontere mit der Figur gerupftes Hühnchen die wilde Offensive meines Gegners.
Diese äußert schwierige und fortgeschrittene Technik hat der Tintenfisch offensichtlich nicht von mir erwartet, denn er stöhnt verdutzt auf, als ich ihn mit meinem Spaten gehörig eins auf die Rübe gebe.
»Sehr gut, Nik!‹‹, brüllt Torben mir durch den Kampflärm zu und rennt an mir und meinem benommenen Gegner vorbei, »Gib mir nur noch ein paar Sekunden!‹‹
»Geht klar‹‹, rufe ich zurück und gehe erneut zum Angriff gegen den Tintenfischling über. Dieser ist nun allerdings darauf vorbereitet, schlingt zwei seiner glitschigen Tentakel um meine Handgelenke und hält mich damit fest. Wütend versuche ich mich loszureißen, doch das Wesen ist einfach zu stark.
»Hey, das ist unfair, Henry! Du hast einfach zu viele Arme!‹‹, versuche ich es angesichts meiner aussichtslosen Lage mit einem diplomatischen Ansatz.
Der Tintenfischling lässt nur ein belustigtes Flöten über sein Atemloch verlauten. Im nächsten Moment entwaffnet er mich lässig mit einem Fußtritt und schleudert mich wie eine Stoffpuppe quer über das sumpfige Schlachtfeld.
Ich pralle unsanft gegen Clara, die gerade mit ihren Spaten zum entscheidenden Schlag gegen den Gorilla ausholt und wir purzeln beide zu Boden. Ächzend und stöhnend befreien wir uns von der schmatzenden Umarmung des matschigen Untergrunds.
»Was sollte das denn?‹‹, knurrt Clara wütend, während sie sich mühsam aufrichtet.
»Gegen Henry kämpfen ist unfair‹‹, murre ich zu meiner Verteidigung.
»Auf, ihr zwei! Torben hat die Flagge! Wir müssen ihn beschützen!‹‹, ruft Thorsten uns zu, während er an uns vorbeisprintet. Dabei holt er im Rennen mit seinem Spaten aus und pfeffert den großen Affen mit einem sauberen Hieb in den Matsch.
Sofort nutzen Clara und ich die Gelegenheit und nehmen die Beine in die Hand. Von der anderen Seite des Schlachtfeldes kommt Torben uns entgegen. Obwohl er in irrem Tempo über den schlammigen Boden rennt, holen der gegnerische Tintenfischling und der Storch mit jeder Sekunde auf.
»Los, Torben! Du schaffst das!‹‹, feuern Clara und ich unser Teammitglied an, während wir so schnell es geht auf ihn zu sprinten. Thorsten, der einige Meter Vorsprung hat, verlangsamt bereits sein Tempo, um sich Henry und Nils entgegenzustellen. Clara und ich gehen neben ihm in Position und nehmen unsere gewohnte Kampfhaltung ein.
Unwillkürlich muss ich Lächeln. Diesmal gewinnen wir!
Ächzend stelle ich meinen Suppenteller auf meinen Platz und hieve mich stöhnend auf den davorstehenden abgesägten Baumstumpf. Noch immer spüre ich jeden einzelnen meiner Knochen und Muskeln.
Das abschließende Duell am Vormittag war heftiger ausgefallen als gedacht. Nils und Henry waren alles andere als einfache Gegner gewesen und letztendlich haben wir nur gewonnen, weil Torben rechtzeitig die Flagge in unser Lager gebracht hat.
Vorsichtig taste ich meine linke Schläfe ab, wo sich bereits eine dicke Beule gebildet hat. Ich drücke ein wenig darauf herum, um meine Schmerzempfindlichkeit zu testen. Das Ergebnis: Es schmerzt!
Ich lasse meine Hand wieder sinken und wende mich meinem kargen Abendmahl zu. In einer zähen, braunen Brühe schwimmen einige aufgeschnittene Moorrüben. Langsam kann ich diesen geschmacklosen, knochigen Verwandten der gemeinen Mohrrübe nicht mehr sehen.
»Die Suppe hängt mir echt zum Hals raus!‹‹, meint Clara, als hätte sie meine Gedanken in der fauligen Sumpfluft gerochen und lässt sich mit einem Stöhnen auf den Baumstumpf neben mir plumpsen. Sie ist ähnlich übel zugerichtet wie ich, ihre langen Haare sind dreckverkrustet und stehen wild in alle Himmelsrichtungen ab. Trotzdem muss ich mich noch immer beherrschen, um sie nicht blöde anzustarren.
»Das kannst du laut sagen‹‹, erwidere ich nur und beginne lustlos damit, in meiner Brühe herumzustochern.
»Nik, Clara! Verdammt starke Leistung heute Morgen!‹‹, ertönen auf einmal zwei Stimmen im Chor und Thorsten und Torben erscheinen rechts von mir an dem langen Holztisch. Grinsend lassen sich die beiden auf ihre Plätze fallen und Torben klopft mir anerkennend auf die Schulter. Ich zucke vor Schmerz zusammen, schaffe es aber, ein schiefes Lächeln aufzusetzen.
Mittlerweile hat sich um uns herum ein allgemeines, ausgelassenes Geschnatter erhoben. Der gesamte Burghof ist ausgefüllt mit langen Tafeln aus massivem Eichenholz. Daran sitzen auf dutzenden von abgesägten Baumstämmen die unterschiedlichsten Wesen und Daseinsformen, die sich lautstark unterhalten und dabei genüsslich ihr Abendmahl verspeisen. Dazu trinken sie in großen Schlucken brackigen Sumpfschnaps aus grob geschnitzten Holzbechern.
»Du solltest unbedingt auch mal probieren, Nik! Zugegeben, beim ersten Mal schmeckt es ein wenig nach totem Fisch und das Zeug hat einen etwas unangenehmen Nachgeschmack, aber du gewöhnst dich schnell dran!‹‹, meint Torben, der direkt neben mir sitzt und hält mir seinen Holzkrug unter die Nase. Dabei schwappt die trübe Flüssigkeit darin gefährlich auf und ab.
»Außerdem sorgt das Zeug für ne geile Stimmung!‹‹, mischt sich der Tintenfischling Henry kichernd ein und hebt seinen Krug zum Prost überschwänglich in die Höhe. Dabei hüpft ein Teil des flüssigen Inhalts wagemutig in die rettende Freiheit und landet mit einem Platschen auf dem hölzernen Tisch.
Nils, der Storch erhebt sich nun ebenfalls schwankend von seinem Platz, reckt seinen Becher zum Himmel und grölt: »Give me Moor!‹‹
»Give me Moor!‹‹, lallen Thorsten und Torben im Chor und prosten Henry und Nils überschwänglich zu. Auch die anderen Moorsoldaten, die mit uns am Tisch sitzen, fallen lachend und grölend in den Ruf mit ein und schon bald fließt der brackige Alkohol in großen Strömen in weit geöffnete Münder, Schlünder und sonstige exotische Körperöffnungen, die sich zur Aufnahme von Betäubungsmitteln im Allgemeinen eignen.
Clara und ich verdrehen nur angewidert die Augen und wenden uns wieder unseren Suppentellern zu. Seufzend pikse ich eine Scheibe des Sumpfgemüses auf meine Holzgabel und stecke sie mir in den Mund. Auch wenn Thorsten und Torben mir mehrfach versichert haben, dass eine Moorrübe alle wichtigen Makro- und Mikronährstoffe einer ausgewogenen Mahlzeit in sich vereint, macht das die Mahlzeit nicht wirklich appetitlicher. Mittlerweile kann ich gut nachvollziehen, warum die Moorsoldaten damals bei unserer Rettung so viel von dem köstlichen Festmahl der Reptiloiden mitgenommen haben.
Routiniert taste ich nach meinem Spaten, der neben mir auf dem Boden liegt. Ich hebe ihn hoch und ritze gedankenverloren eine weitere Kerbe in den Holztisch vor mir. Erst als ich das Werkzeug wieder abgelegt habe, fällt mir mit einem Mal auf, wie viele der Kerben sich mittlerweile an meinem Platz befinden. Erschrocken fahre ich mit dem Zeigefinger über die kleinen Macken im Holz.
»23 Kerben‹‹, murmele ich fassungslos und lasse meine Hand sinken, »Schon 23.‹‹
»Was sagst du?‹‹, fragt mich Clara von der Seite. Sie runzelt die Stirn, als sie meinen erschrockenen Gesichtsausdruck bemerkt.
»Ach, nichts. Wir sind jetzt nur schon fast einen Monat in der schlammigen Festung‹‹, sage ich und blicke in Clara-Justines smaragdgrünen Augen.
»Was? Wirklich?‹‹, entfährt es Clara und nun lässt auch sie ihren Zeigefinger ungläubig über das beschädigte Holz gleiten. Schließlich sieht sie wieder mich an.
»Dann müssen wir so schnell es geht aufbrechen!‹‹, flüstert Clara eindringlich und lehnt sich zu mir herüber, sodass keiner der anderen Anwesenden sie hören kann, »Mein Vater macht sich bestimmt schon Sorgen um uns. Außerdem hast du noch immer dein Gedächtnis nicht zurück.‹‹
»Dafür hatte ich in den letzten Wochen keinen einzigen Albtraum mehr‹‹, werfe ich nachdenklich ein, »Und wir haben den SCHREDDER verloren. Vielleicht sollten wir es doch einfach sein lassen. Ohne unseren Kampfroboter kommen wir nicht weit.‹‹
»Außerdem…‹‹, füge ich noch hinzu und werfe einen flüchtigen Blick über die Schulter, »Außerdem sind mir die Leute hier irgendwie ans Herz gewachsen. Was werden sie wohl von uns halten, wenn wir uns einfach so aus dem Staub machen?‹‹
»Aus dem Schlamm‹‹, meint Clara bestimmt, »Wir machen uns nicht aus dem Staub, sondern aus dem Schlamm. Und es wird allerhöchste Zeit dafür!‹‹
»Warum denn so ernst, ihr beiden?‹‹, lallt plötzlich eine tiefe Stimme neben mir und eine sinnesbetäubende Alkoholfahne weht mir ins Gesicht. Bruno, der schwarze Gorilla steht grinsend und bedrohlich schwankend vor uns. Auf dem rechten Arm balanciert er ein ungeöffnetes Fass Sumpfschnaps, während er in seiner linken Pranke noch immer seinen großen Holzkrug trägt, als wäre ihm dieser an die Hand gewachsen.
»Wir sind nur beide etwas müde von dem Kampf heute Vormittag. Ich denke, wir werden heute etwas früher zu Bett gehen‹‹, meint Clara und wirft mir einen vielsagenden Blick zu.
»Pah!‹‹, macht Bruno, wobei sich ein brackiger Spuckeregen auf Clara und mich ergießt, »Trinkt ein wenig davon! Das betäubt die Schmerzen.‹‹
Mit diesen Worten entkorkt der mächtige Affe das Fass auf seinem Arm und gießt ungefragt einen großen Schuss des schweren Alkohols in meinen und Claras Krug. Anschließend grinst Bruno breit und hebt seinen eigenen Krug in die Höhe.
»Give me Moor!‹‹, grölt er, kippt sich den Rest seines eigenen Getränks auf Ex in den Rachen und wankt daraufhin lachend und rülpsend auf seinen Platz zurück.
»Komm, wir müssen reden‹‹, sagt Clara-Justine, sobald der Affe außer Hörweite ist. Ohne eine Antwort von mir abzuwarten, nimmt sie mich an die Hand und zieht mich weg von den Feiernden.
Geschickt schlängeln wir uns zwischen den betrunken umhertaumelnden Soldaten hindurch, passieren mit einem höflichen Gruß die beiden Wachmänner am Eingangstor und treten schließlich hinaus in die gespenstische Stille des Moors.
Ich folge Clara noch einige hundert Meter weiter bis zu den abgestorbenen Überresten einer modrigen Sumpfeiche, wo sie endlich anhält und sich zu mir umdreht. In ihren wunderschönen Augen erkenne ich den Glanz von Angst.
»Was ist denn los, Clara?‹‹, frage ich verwirrt. Dabei fällt mir plötzlich auf, dass ich noch immer ihre Hand halte. Schnell lasse ich sie los, um die Situation nicht noch peinlicher zu machen.
»Es gibt da etwas, dass ich dir schon lange hätte sagen sollen. Ich wusste nur nicht wie und dann ist immer wieder etwas dazwischengekommen und…‹‹, beginnt Clara und dabei zittert ihre Stimme auf einmal so heftig, dass ich Angst habe, sie könnte jeden Moment in Tränen ausbrechen.
»Hey, es ist alles gut‹‹, versuche ich sie zu beruhigen und lege meinen Arm um sie, »Was auch immer es ist, du kannst es mir sagen.‹‹
»So einfach ist es nicht‹‹, schluchzt Clara-Justine und jetzt ergießen sich dicke, salzige Tränen aus ihren smaragdgrünen Augen, kullern über ihre zarten Gesichtszüge und tropfen auf den schlammigen Morast zu unseren Füßen.
Ich bin von Claras plötzlichem Gefühlsausbruch so überrumpelt, dass ich beinahe selbst anfange zu weinen. Doch durch heftiges Blinzeln und mehrere tiefe Atemzüge werde ich schließlich Herr der Lage. Claras Tränen versiegen wieder und sie löst sich aus meiner Umarmung. Ich blicke sanft in ihre geröteten Augen. Noch immer stehen wir so dicht aneinander, dass ich ihren zitternden, heißen Atem auf meinem Gesicht spüren kann.
»Nik, ich habe etwas Schlimmes getan‹‹, flüstert Clara mit bebenden Lippen und blickt mich unverwandt an, »Es geht um meine Mutter. Ich habe…‹‹
»Psssst‹‹, unterbreche ich Clara mitten im Satz, lege den rechten Zeigefinger auf die Lippen und ziehe sie mit meiner linken Hand mit mir in die Hocke. Mit einem Mal ist es wieder totenstill um uns herum.
Fast totenstill.
Ich kneife die Augen zusammen und schiele auf die abgestorbenen Büsche in Claras Rücken. Ich kann in der Dunkelheit nichts erkennen, aber dafür höre ich es wieder: Ein leichtes, unterschwelliges Summen, wie von einem uralten Notebook mit verstopftem Lüfter, das versucht, Minecraft zu starten. Erst jetzt fällt mir der bitter-süße Geruch von Orangen auf, der unverkennbar durch die fauligen Gase des Sumpfes zu uns herüberweht.
»Wir müssen von hier verschwinden!‹‹, flüstere ich eindringlich und sehe mich hastig um. Ohne dass wir es gemerkt haben, hat sich ein dicker, tiefgrauer Nebel wie eine schwere Decke über das Moor gelegt, sodass die Eingangstore der Schlammigen Festung nun nicht mehr zu erkennen sind. Mein Herzschlag beschleunigt sich und Blut schießt mir in den Kopf. Panisch wird mir klar, dass ich nicht mehr weiß, in welche Richtung es zurück geht. Auch Clara schüttelt verzweifelt den Kopf.
Wir sitzen fest!
»Nik? Clara?‹‹, höre ich plötzlich eine vertraute Stimme durch den dichten Nebel dringen.
»Wo seid ihr beiden? Wir wollen ne Runde Moorhuhn zocken, macht ihr mit?‹‹, ruft Thorsten, doch seine Worte klingen dumpf und schwach, als wäre er unendlich weit entfernt von uns.
Immerhin kann ich die ungefähre Richtung bestimmen, aus der die Rufe zu uns dringen. Hastig helfe ich Clara zurück auf die Beine und im Schutze der dicken, dunstigen Nebelschwaden schleichen wir auf Zehenspitzen in die Richtung, in der wir unsere Freunde vermuten.
Dabei bin ich für einige Momente so auf die Stimmen von Thorsten und Torben fokussiert, dass mir das stetig anschwellende Brummen entgeht, welches auf einmal überall in der Luft liegt.
»Nik, pass auf!‹‹, warnt mich Clara, doch zu spät. Der schwarze Arm bricht falkenschnell aus dem dichten Nebel vor mir und schleudert mich mit der Wucht eines Presslufthammers in den Dreck.
Für einige schreckliche Sekunden bleibt mir die Luft weg. Stöhnend taste ich meinen Brustkorb ab, doch glücklicherweise scheint keine meiner Rippen gebrochen zu sein. Keuchend komme ich auf die Beine.
Sofort ziehe ich wieder den Kopf ein, denn in diesem Moment zerteilt ein weiterer Schlag pfeifend den dichten Nebel nur eine Handbreit über meinem Scheitel. Nun bin ich allerdings darauf vorbereitet. Entschlossen gehe ich in die Abwehrstellung erzürnter Lurch und fixiere die schwarze Gestalt vor mir mit einem bohrenden Blick.
Routiniert suche ich die Haltung meines Gegners nach irgendwelchen Schwachstellen ab. Nicht umsonst habe ich mir die letzten drei Wochen lang jeden Tag beim Moorjutsu-Training mit Thorsten und Torben den Arsch aufgerissen! Ich bin kein wehrloser Junge mehr!
Mein Angreifer lässt ein apokalyptisches Summen ertönen und springt im nächsten Moment wie ein tollwütiger Killer-Floh auf mich. Gewandt wie ein Wiesel tauche ich unter dem Schlag meines Gegners hindurch und kontere mit einem gepfefferten Aufwärtshaken. Die schwarze Gestalt bemerkt meinen Angriff, kann aber nicht mehr rechtzeitig reagieren. Ächzend krümmt sich mein Angreifer unter dem Aufprall meiner Faust.
Auch ich krümme mich nun allerdings vor Schmerzen. Entweder mein Gegenüber hat ein Sixpack aus Stahl oder ich habe es hier mit einem Wesen zu tun, das nicht aus Fleisch und Blut besteht. Der Körper meines Gegners ist hart wie Eisen. Fluchend kämpfe ich gegen die plötzlich aufkommenden Tränen an und stolpere einige Meter nach hinten durch den Nebel, während ich mir meine schmerzende Faust reibe.
»Du hast offensichtlich ein paar deiner Fähigkeiten zurückerlangt. Wobei dein Kampfstil definitiv exotischer ist als früher‹‹, stellt die schwarze Gestalt blechern fest. Ihre Stimme klingt hohl und mechanisch, wie die eines schlecht programmierten Roboters. Kurz überlege ich, was mein Gegner wohl damit meinen könnte. Waren wir uns vorher etwas schon einmal begegnet?
»Es wird dir jedenfalls nichts nützen!‹‹, höhnt mein Angreifer und fixiert mich mit seinem kalten Blick. Seine drei schlauchartigen Arme kreisen bedrohlich um seinen Körper herum.
»Das werden wir ja sehen!‹‹, erwidere ich trotzig, beiße die Zähne zusammen und gehe erneut in Kampfstellung. Diesmal nehme ich die Pose Hering auf dem Trockenen ein. Eine Stellung, die durch ruckartige, unkontrollierte Zuckbewegungen am ganzen Körper den Feind verwirren und gleichzeitig die Muskulatur für einen weiteren Angriff auflockern soll. Für einige Sekunden erfüllt die Technik ihren Zweck und mein Gegner schaut mich sichtlich irritiert an.
Seine Ratlosigkeit ist allerdings nicht von langer Dauer. Denn plötzlich lässt die Gestalt ein wütendes Brummen verlauten und im nächsten Moment schlägt mir der unglaublich intensive Geruch von Orangen mit der Wucht eines Rammbocks entgegen. Benommen taumele ich zurück und falle rückwärts in den feuchten Matsch. Der süß-säuerliche Duft, der mich nun einhüllt, ist dermaßen heftig, dass mir die Sinne schwinden.
Verzweifelt versuche ich, wieder auf die Beine zu kommen, doch meine Muskeln versagen den Dienst. Kraftlos sinke ich auf mein schlammiges Bett und im nächsten Augenblick erfüllt ein schummriges Vibrieren meinen ganzen Körper. Hilflos beobachte ich wie ein Außenstehender meinen eigenen Körper, der in einen tiefen, traumlosen Schlaf hinabgleitet. Schon spüre ich, wie es um mich herum immer dunkler wird.
»Hilfe! Wir sind hier!‹‹, höre ich schwach und dumpf eine Stimme an mein Ohr dringen, »Hier her, wir werden angegriffen!‹‹
Verzückt lausche ich den plätschernden Tönen, den sinnlosen Geräuschen, die durch die unendliche Dunkelheit zu mir herüberwehen. Meine Augenlieder werden schwer und die Welt beginnt, sich um mich herum zu drehen.
»Clara, … hinter mir! Mit dem … schon fertig! Friss … Spaten!‹‹, vernehme ich einige letzte Wortfetzen, bevor meine Sinne endgültig schwinden und mich eine schattenlose Finsternis umfängt.

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