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10. Kapitel - DER SCHREDDER | CrayZ

  • Autorenbild: Tim J. R. Ufer
    Tim J. R. Ufer
  • 19. Juli 2021
  • 7 Min. Lesezeit

Ich stehe in einer Waffenkammer, die so gigantisch ist, dass sie meine Vorstellungskraft zu sprengen droht. Eigentlich ist es keine Waffenkammer und auch kein Waffenraum. Waffenhalle würde es schon eher treffen, doch das wäre noch immer bei weitem untertrieben.

»Ich stehe in einem Waffenstadion!‹‹, denke ich feierlich, endlich einigermaßen zufrieden mit meiner Wortwahl. Die hintere Wand des Raumes ist so weit entfernt, dass ich sie kaum erkennen kann. Rechts und links von mir ist jeweils genügend Spielraum für ein ganzes Fußballfeld.

»Aber…‹‹, beginne ich verwirrt, »Wie passt das alles hier rein?‹‹

»Dunkle Energie‹‹, erwidert Sascha mit einem Augenzwinkern, »Normalerweise sorgt sie dafür, dass unser Universum sich ausdehnt, anstatt in sich zusammenzufallen. Durch ihre Experimente am Schwarzen Loch ist es den Nazis gelungen, diese äußerst mächtige Form der Energie zu extrahieren und für uns nutzbar zu machen. Dieser Raum wird mit jeder Menge davon auf diese Größe aufrechterhalten. Ansonsten würde er niemals in diesen Turm passen!‹‹

»Verstehe‹‹, sage ich nur, aber ich verstehe ganz und gar nicht. Dieses Waffenstadion raubt mir jeden letzten Rest meines Verstandes. Der Boden der riesigen Halle besteht vollständig aus schwarzem, glänzend poliertem Granit. Die gewaltige Decke wird durch eine Vielzahl mächtiger Säulen gestemmt, jede einzelne davon dick wie ein ausgewachsener Mammutbaum.

Ansonsten ist der gesamte Saal ausgefüllt mit breiten, langgezogenen Tischen, auf denen hunderte, nein tausende Waffen in den unterschiedlichsten Größen, Formen und Ausführungen herumliegen. Dazwischen sehe ich Rüstungsständer, Waffenschränke und mächtige Stahltresore mit zentimeterdicken Schutzwänden. Ganz hinten meine ich sogar eine lebensgroße Nachbildung des Batmobils zu erkennen.

Wir befinden uns im Schlaraffenland des Kriegsgeschicks. Im Paradies des Gemetzels! Ja, hier in diesem Raum wird Mord zur Kunst erklärt!

»Tja, mein Dad ist eben einer dieser Typen, die mit Aktien reich geworden sind‹‹, reißt mich Clara-Justine aus meinen Gedanken, als wäre das eine plausible Erklärung für einen gigantischen Saal voller Kriegswerkzeug.

»Ach ja? Welche Aktien denn? Die müssen ganz schön durch die Decke gegangen sein‹‹, erwidere ich und schüttele ungläubig den Kopf.

»Ja, er hat ziemlich viele Anteile von diesem Unternehmen gekauft, das Profikuscheldecken herstellt‹‹, meint Clara und geht offensichtlich davon aus, dass damit alles gesagt sei. Als ich sie nach einigen Moment allerdings noch immer verständnislos anschaue, fügt sie schnell hinzu: »Sorry, hab ganz vergessen, dass du ja keine Erinnerungen mehr hast. Aber die kennt halt nun wirklich jeder. Das sind so Kuscheldecken mit Ärmeln.‹‹

»Kuscheldecken mit Ärmeln?‹‹, wiederhole ich fassungslos, sage aber nichts weiter. Ich bin schon wieder voll und ganz damit beschäftigt, die ganzen High-Tech-Geräte zu bewundern, die sich neben uns auf den Tischen stapeln. Bei den meisten Waffen bin ich mir nicht einmal sicher, wie sie eigentlich funktionieren sollen. Staunend betrachte ich eine Nachtsichtbrille mit Greifarmen, an deren Seite unablässig ein rotes Lämpchen blinkt.

»Was ist das für ein Licht?‹‹, will ich wissen und deute auf das Nachtsichtgerät.

»Oh, das ist eine Spezialanfertigung von mir‹‹, erwidert Sascha und gesellt sich zu mir an den Tisch, »Das ist rotes Licht.‹‹

»Und was macht es?‹‹, frage ich und blicke verständnislos auf das Nachtsichtgerät.

»Es leuchtet rot‹‹, meint Sascha.

Bevor ich weiter nachhaken kann, kommt Clara zu uns an den Tisch. Auf dem Arm trägt sie ein großes, knallgelbes Gewehr und zwei Pistolen.

»Was ist das für ein Gewehr, Dad?‹‹, fragt sie und hebt die große Schusswaffe in die Höhe. Nebenbei reicht sie mir eine der Pistolen. Dankend nehme ich das Mordwerkzeug an und wiege es unsicher in meiner Hand. Der Griff der Waffe ist eiskalt und die Pistole ist schwerer als ich gedacht hätte.

»Ich sehe, du hast mein Lieblingsgewehr gefunden‹‹, meint Sascha und grinst, »Ich nenne ihn den Kitzler.‹‹

Clara runzelt die Stirn und blickt ihren Vater irritiert an.

»Die Munition besteht aus kleinen mit spitzen Nadeln versehenen Kapseln. Darin befindet sich eine Flüssigkeit, die deinen Gegner zu unkontrolliertem Lachen veranlasst, sobald er getroffen wird. Sehr effektiv, um deine Feinde systematisch auszuschalten und dabei auch noch deine gute Laune zu behalten.‹‹

Clara-Justine lächelt schief und legt das Gewehr unauffällig zurück auf den Tisch neben sich.

»Diese Waffen hier sind ja alle ganz schön‹‹, sage ich nachdenklich, »Aber ich glaube, ich habe schon, was ich brauche.‹‹ Dabei tippe ich mir an die Seite, an der noch immer mein blutrotes Samuraischwert hängt.

»Kannst du dich eigentlich erinnern, weshalb du mit einem Katana in der Hand aufgewacht bist?‹‹, fragt mich Clara-Justine plötzlich und zeigt damit zum ersten Mal Interesse an meiner Waffe.

Ich zucke mit den Achseln und ziehe das Schwert vorsichtig aus seiner Scheide. Wieder einmal bin ich davon überrascht, wie vertraut sich der Stahl in meiner Hand anfühlt. Der in die Klinge eingravierte Drache mustert mich mit seinem durchdringenden Blick.

Urplötzlich zucke ich zusammen. Wieder ist es der brennende Schmerz in meiner Brust, den ich schon bei meinem seltsamen Erwachen vor zwei Tagen verspürt habe. Stöhnend fasse ich mir an die Brust, das Gesicht qualvoll verzerrt.

»Nik, geht es dir gut?‹‹, fragt Clara und kommt näher zu mir, um mich zu stützen. Dabei berührt sie mit ihrer rechten Hand aus Versehen die blutrote Klinge meines Schwertes.

»Autsch!‹‹, ruft sie überrascht und macht einen Satz rückwärts. Irritiert blicke ich sie an. Der Schmerz in meiner Brust ist bereits wieder vollständig verklungen.

»Was ist los?‹‹, will ich wissen und stecke das Schwert schnell zurück in seine Scheide.

»Die Klinge ist glühend heiß!‹‹, erwidert Clara empört und zeigt mir ihre rechte Hand, auf der sich bereits mehrere kleine Brandbläschen gebildet haben.

»Aber, wie ist das möglich? Für mich fühlt sich das Metall nur angenehm warm an‹‹, sage ich und betrachte das Schwert nun mit noch mehr Neugierde. Clara dagegen beäugt das tödliche Werkzeug jetzt argwöhnisch.

»Kommt, ihr beiden‹‹, meint Sascha, der sich vorher etwas abseits von uns gehalten hat und jetzt auf einmal direkt neben uns steht, »Ich will euch was zeigen.‹‹

Kurz sieht Clara so aus, als wolle sie noch etwas zu dem Vorfall von gerade eben sagen, verkneift es sich dann aber doch. Mit einem etwas mulmigen Gefühl binde ich mir meinen Katana wieder um die Hüfte und folge Clara und ihrem alten Herren in den hinteren Teil der Halle.

Mit jedem Schritt werden die Gerätschaften um uns herum größer und ausgefallener. Anstelle von Schusswaffen, Messern und kleinen Granaten, stapeln sich auf den langen Tischen nun riesige Äxte, Speere und Schilde. Wir kommen an ein paar glänzenden Ritterrüstungen vorbei, passieren einen mächtigen Panzer für schwere Kriegseinsätze sowie mehrere Helikopter und machen schließlich vor einem großen, schwarzen Vorhang halt.

»Du besitzt diese ganzen Dinge hier und machst dir Sorgen, dass wir es nicht mehr vom Schwarzen Tempel zurückschaffen?‹‹, frage ich fassungslos, mit meinen Blicken noch bei dem Panzer.

»Ach Nik, du hast ja keine Ahnung‹‹, seufzt Sascha traurig, »Für das, was euch da draußen erwarten könnte, kann man sich gar nicht gut genug vorbereiten.‹‹ Mit diesen Worten zieht er an einem kleinen Hebel und der riesige Vorhang fällt zu Boden. Was dahinter zum Vorschein kommt, lässt meinen Atem stocken.

»Aber man kann es zumindest versuchen‹‹, ergänzt Claras Vater feierlich und vollführt mit seinen Armen eine dramatische Geste, »Der Diamant meiner Sammlung. Die tödlichste Maschine, die je gebaut wurde: Der SCHREDDER!‹‹

Ich kann es nicht verhindern. Ein breites Lächeln zieht sich durch mein Gesicht und mein Herz schlägt auf einmal höher. Aufgeregt trete ich einen Schritt näher.

Vor uns ragt ein gewaltiger, bedrohlich funkelnder T-Rex aus pechschwarzem Eisen etwa 12 Meter in die Höhe. Seine mächtigen Kiefer sind besetzt mit mehreren Reihen glitzernder Zähne aus gehärtetem Stahl. Die Beine der furchterregenden Kreatur sind dick wie Baumstämme und an seinen Füßen befinden sich jeweils fünf speerartige Krallen. Jede von ihnen ist groß genug, um einen Elefanten aufzuspießen.

Der Name, den Sascha diesem Monster von einer Maschine gegeben hat, erscheint mir keinen Augenblick lang auch nur ansatzweise übertrieben. Diese mehreren technologisch meisterhaft verbauten Tonnen Stahl, die in Gestalt eines mächtigen, urzeitlichen Ungetüms vor uns stehen, sind mit Abstand das furchteinflößendste, das ich je gesehen habe.

Mit deutlich hörbarem Stolz erklärt Sascha: »Dieses Beast hat ein Waffenarsenal, auf das jeder Militärstützpunkt neidisch wäre. Seine Zähne und Krallen sind mit geschliffenen Diamanten besetzt und sein Panzer wird durch zehn Lagen gehärtetem Edelstahl verstärkt. Schützt euch vor allen denkbaren Schusswaffen und ist sowohl feuer- als auch wasserdicht. Ich würde mich nicht wundern, wenn der SCHREDDER selbst einen Atomangriff unbeschadet überstehen würde. In den Augen sind ultra 8k Dinosaureye-Linsen verbaut, die…‹‹

»Ist ja gut, Dad. Wir haben schon verstanden. Die Maschine ist der absolute Wahnsinn!‹‹, unterbricht ihn Clara, aber auch sie kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. Ihre Augen leuchten aufgeregt, während sie den riesigen Kampfroboter mustert.

»Wie kommen wir rein?‹‹, fragt sie und versucht dabei so beiläufig wie möglich zu klingen.

Wortlos marschiert Sascha zum rechten Fuß der gewaltigen Kreatur und drückt auf einen kleinen, versteckten Knopf an der Ferse des Dinosauriers. Zischend öffnet sich eine quadratische Einstiegsluke am Bauch des Urzeitmonsters. Kurz darauf fährt mit einem ohrenbetäubenden Quietschen eine silberne Metallleiter aus dem Inneren der Maschine.

»Bevor ihr aufbrecht, könnte der SCHREDDER vielleicht noch die ein oder andere Ölbehandlung vertragen‹‹, meint Sascha nachdenklich, der bei dem Geräusch ein Gesicht macht als habe er auf eine Zitrone gebissen, »Ich kümmere mich später darum.‹‹ Er holt einen kleinen Notizblock hervor und notiert sich etwas.

»Der T-Rex hat im Inneren ein Cockpit. Voll funktionstüchtig ist er eigentlich nur mit einer Besatzung von vier Personen. Aber mit etwas Übung solltet ihr das schon hinbekommen‹‹, fährt Claras Vater schließlich fort, »Eure restlichen Waffen könnt ihr drinnen verstauen. Zur Sicherheit werde ich auch noch ein paar Extras dazu packen. Damit solltet ihr dann ganz gut auskommen.‹‹ Sascha nickt, wie um seine eigenen Worte zu bestätigen und wirkt auf einmal sehr zufrieden mit sich selbst.

»Vielleicht habt ihr ja doch eine Chance‹‹, murmelt er schließlich und sein Blick schweift prüfend über den todbringenden Metallriesen vor uns.



(Anmerkung des Autors: Der folgende Abschnitt ist nicht Storyrelevant und weist auch sonst keine wirklich bemerkenswerten Eigenschaften auf, die es rechtfertigen würden, ihn in der Geschichte zu lassen. Trotzdem ist er irgendwie witzig, was auf jeden Fall gegen seine qualvolle Auslöschung durch die Entfernentaste meiner Tastatur spricht. Wisst ihr was: Lest einfach selbst! :))

»Scheiße! Pass auf, Dad! Du bist gerade optimistisch!‹‹, ruft Clara panisch und rennt zu ihrem Vater.

»Ach, ich bin sicher, mit mir ist alles in…‹‹, beginnt Sascha. Dann breitet sich der Ausdruck von Erschrecken auf seinem Gesicht aus.

»Oh Gott! Schätzchen, du hast recht! Ich bin tatsächlich optimistisch! Vorsicht! Komm mir ja nicht zu nahe. ich habe gehört, das soll ansteckend sein!‹‹, brüllt er und fasst sich an den Kopf, während er ein paar Schritte rückwärts stolpert. Clara kramt in der Zwischenzeit hektisch in ihrer Jackentasche. Nach einigen schrecklichen Augenblicken zieht sie endlich eine kleine Schachtel heraus. Mit zitternden Fingern öffnet sie die Verpackung und drückt eine kleine, rote Pille in ihre Hand.

»Hier, fang!‹‹, ruft sie und wirft ihrem Vater die Tablette zu. Dieser fängt die Pille geschickt mit dem Mund aus der Luft. Er kaut einige Male darauf herum und zieht dabei eine von Ekel erregte Grimasse. Schließlich schluckt er einmal und verharrt anschließend bewegungslos auf einer Stelle.

Fassungslos betrachte ich das Geschehen, unfähig irgendetwas zu sagen oder mich selbst zu bewegen. Dann endlich rührt sich Sascha wieder.

»Mein Leben ist der letzte Dreck!‹‹, mault Claras Vater mürrisch und zieht ein genervtes Gesicht.

»Gott sei Dank, du bist gerettet!‹‹, ruft Clara glücklich und wirft sich ihrem Vater um den Hals, »Ich dachte schon ich hätte dich verloren. Zum Glück habe ich immer einige Anti-Optimistica in meiner Jacke. Weißt du, nur für den Fall der Fälle.‹‹

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